Forderungen des Präsidenten:Volles Programm

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Gemeinsame Armee, gemeinsamer Euro-Haushalt, gemeinsame Steuerpolitik: Was Macron in Europa verändern will.

Von Alexander Mühlauer und Thomas Kirchner

Emmanuel Macron hat einen Reformdruck aufgebaut, dem sich Europa nicht entziehen kann. Bei seiner Rede in der Universität Sorbonne präsentierte Frankreichs Präsident einen Strauß an Vorschlägen. Von Verteidigung über Migration bis zu einer Vertiefung der Währungsunion kamen so gut wie alle großen Themen vor, die Europa umtreiben. Am Donnerstag wollen die Staats- und Regierungschefs der EU vor ihrem Treffen in Tallinn darüber sprechen. Bereits für Dezember hat EU-Ratspräsident Donald Tusk einen Euro-Gipfel angekündigt. Doch ob es in Deutschland bis dahin eine neue Regierung gibt, ist offen. Es kann sein, dass die Kanzlerin dann nur bedingt handlungsfähig ist. Gut möglich also, dass der deutsch-französische Motor sich noch eine Weile im Leerlauf befinden wird. Fest steht aber: Macron will nicht nur den ersten Gang einlegen, er will voll durchstarten. Und zwar sofort.

Euro: Frankreichs Präsident hält an der Idee eines gemeinsamen Haushalts für die Währungsunion fest. Ein solches Budget sowie ein dafür zuständiger Euro-Finanzminister seien nötig, um die Währung zu stärken, gemeinsame Investitionen zu stemmen und sich gegen Wirtschaftskrisen zu wappnen. Mit dem Geld sollen aber nicht Altschulden vergemeinschaftet oder die finanziellen Probleme eines einzelnen Landes gelöst werden. Es gehe nicht um einen Mechanismus, der auf wundersame Weise alle Probleme löse: "Worum es geht, ist die Reduzierung der Arbeitslosigkeit, die einen von fünf jungen Europäern betrifft", sagte er. Man müsse darüber nachdenken, diesen Haushalt mit einer Steuer zu finanzieren. Macron brachte die Körperschaftsteuer ins Spiel, die in Europa angeglichen werden müsse. Bleibt die Frage: Wie groß soll dieser Haushalt sein? Darauf gab er in der Rede keine Antwort. Bislang sprach Macron von "mehreren" Prozentpunkten des Bruttoinlandsprodukts. Das wäre ein weitaus höherer Geldtransfer als beim existierenden EU-Haushalt, der mit je einem Prozent der Wirtschaftsleistung aller EU-Staaten gefüttert wird.

Wirtschaft: In Macrons Rede kam das Wort "Steuer" auffallend häufig vor. Der französische Präsident forderte einen einheitlichen Mindestsatz für Unternehmensteuern in Europa. Bis zum nächsten EU-Budget im Jahr 2020 sollen verpflichtende Unter- und Obergrenzen für die Körperschaftsteuersätze vorgelegt werden, forderte Macron. Länder, die sich nicht daran halten, sollten keine EU-Strukturmittel erhalten, sagte der Präsident: "Man kann nicht von der europäischen Solidarität profitieren und gegen die anderen spielen." Es könne keine so großen Unterschiede bei den Körperschaftsteuersätzen geben. Diese "soziale Diskrepanz" schwäche ganz Europa. Macron sprach sich auch für eine schrittweise Annäherung der Sozialmodelle in Europa aus - dazu zählt aus seiner Sicht ein EU-weiter Mindestlohn. Außerdem will er die Finanztransaktionsteuer wiederbeleben. In Frankreich gibt es die Börsensteuer bereits. Er sei bereit, diese Einnahmen in die Entwicklungshilfe zu stecken, sagte Macron. Die Börsensteuer sollte in der EU nach der Finanzkrise eingeführt werden, war aber am Widerstand mehrerer Staaten, unter anderem Großbritanniens, gescheitert. Danach bemühten sich mehrere Euro-Staaten um eine Einführung, darunter Deutschland und Frankreich. In den vergangenen Jahren gelang in den Verhandlungen zwischen zuletzt zehn Staaten aber kein Durchbruch.

Umwelt: Macron strebt eine Reform des europäischen Handels mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten (CO₂) an. Ein Preis von unter 25 bis 30 Euro pro Tonne CO₂ sei nicht ausreichend, sagte er. Derzeit liegt der Preis an der Börse bei etwa sieben Euro. Macron forderte einen Mindestpreis für die Rechte zum Ausstoß des Klimagases sowie eine europäische Steuer auf die Produktion von Kohlenstoff. Im Kampf gegen den Klimawandel verlangte er zudem ein europäisches Förderprogramm für saubere Technologien bei Autos wie der Elektromobilität.

Verteidigung: Bei diesem Thema schaltete Macron vollends auf Angriff. In den kommenden Jahren müsse es gelingen, eine gemeinsame europäische Verteidigungsstrategie zu entwickeln, forderte er. Sie solle eine gemeinsame Interventionstruppe umfassen und einen gemeinsamen Verteidigungshaushalt. Für einen Oberbefehlshaber der force de frappe ist das ein überraschender Vorschlag. Nötig sei auch eine "gemeinsame strategische Kultur", fügte Macron hinzu, die befördert werden könnte durch eine europäische Verteidigungsakademie. Und die nationalen Armeen der Mitgliedstaaten könnten doch freiwillig Soldaten aus anderen europäischen Ländern aufnehmen. Frankreich werde damit in seinen Streitkräften beginnen. Migration: Macron will nicht weniger als einen Paradigmenwechsel, indem er eine "europäische Asylbehörde" vorschlägt. Das hieße, den Mitgliedstaaten das Recht aus der Hand zu nehmen, über die Aufnahme von Asylbewerbern selbständig zu entscheiden. Würde dieser Prozess "europäisiert", erübrigten sich die Streitereien um Flüchtlingsquoten und Solidarität, die West- und Osteuropa spalten. Das würde auch eine Reform des umstrittenen Dublin-Systems möglich machen. Gefordert haben diesen Schritt schon andere, realistischer wird er dadurch nicht. Zudem ruft Macron nach einer "europäischen Grenzpolizei", doch bleibt unklar, wie sie aussehen könnte. Will der Franzose den kompletten Außengrenzschutz der Union europäisieren?

© SZ vom 27.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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