Ukraine:Schäuble kritisiert Umgang mit Timoschenko

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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat die anhaltende Kritik seiner Politikerkollegen an der Ukraine wegen der Inhaftierung von Julia Timoschenko verteidigt. Menschenrechte müssten immer und für jeden gelten. Auch im Heimatland der Oppositionsführerin wird Kritik an Präsident Janukowitsch laut.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat den Umgang der ukrainischen Regierung mit der inhaftierten Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko kritisiert. "Man besiegt den politischen Gegner in Wahlen, aber man sperrt ihn nicht ins Gefängnis", sagte er der Welt am Sonntag. "Menschenrechte müssen für immer und für alle gelten. Aber wenn man die Welt zu einem Fest wie einer Fußball-EM einlädt, dann muss man es sich auch gefallen lassen, dass die Welt noch genauer hinschaut", sagte er.

Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite (l.) besuchte die schwerkranke Julia Timoschenko in der Haft. (Foto: dapd)

Der Protest und auch der "sehr kluge Verzicht" von Bundespräsident Joachim Gauck auf eine Reise in die Ukraine hätten schon Früchte getragen. Er selbst werde nicht in das Land reisen, um ein Spiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft zu sehen, sagte Schäuble. Er begründete die Entscheidung aber mit seinen Aufgaben als Finanzminister. "Wenn ich noch für den Sport zuständig wäre, müsste man sehen", fügt er hinzu. Der CDU-Politiker war von 1989 bis 1991 und von 2005 bis 2009 Bundesinnenminister, zu seinem Ressort gehörte auch der Sport.

Auch im Heimatland der inhaftierten Politikern wird immer mehr Kritik an der Regierung laut. In Kiew haben mehr als 2000 Menschen gegen den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch protestiert und die Freilassung aller politischer Gefangener gefordert. Die Demonstranten hielten in der Hauptstadt unter freiem Himmel einen Oppositionskongress ab. "Freiheit für die Ukraine, Freiheit für Julia", forderte einer der Redner mit Blick auf die inhaftierte Oppositionspolitikerin.

Politiker aus dem Westen boykottieren EM

Deren Tochter Jewgenija nahm an der Demonstration teil. Sie verlas eine Botschaft ihrer Mutter, in der diese ihre Vorstellungen für politische Reformen in der Ukraine darlegt. Am Ende sagte die Tochter mit Tränen in den Augen: "Mama, ich weiß, dass Du mich jetzt hören kannst. Und ich bin sicher, dass Du wieder bei uns sein wirst." Die 51-jährige Timoschenko, die eine siebenjährige Haftstrafe wegen Machtmissbrauchs während ihrer Zeit als Regierungschefin verbüßt, leidet unter mehreren Bandscheibenvorfällen und kann sich deshalb kaum bewegen. Derzeit wird sie unter Betreuung eines deutschen Arztes in einem Krankenhaus im ostukrainischen Charkiw behandelt.

Nun droht ihr noch vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft eine neue Anklage. In dem Fall geht es um den Mord an dem ukrainischen Abgeordneten und Unternehmer Jewhen Schtscherban in Donezk, dessen Hintergründe nie aufgedeckt wurden. Die Regierung verdächtigt Timoschenko, die Tat in Auftrag gegeben zu haben.

© Süddeutsche.de/dpa/rtr/dapd - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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