Freischärler in Russland:Ohne jedes Recht

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Das "Russische Freiwilligenkorps" und sein Gründer Denis, bekannt als White Rex (Mitte): Nach eigenen Angaben überqueren sie immer wieder die Grenze, um Ziele in Russland anzugreifen. (Foto: Sergey Bobok/AFP)

"Freiwilligenkorps" wie das in Belgorod sind nach dem Völkerrecht illegal und im Falle ihrer Gefangennahme schutzlos.

Von Ronen Steinke, Berlin

Für das "Russische Freiwilligenkorps", das sich entschieden hat, im Gebiet Belgorod auf Seiten der Ukraine zu kämpfen, hält das Völkerrecht einen etwas altertümlichen Ausdruck bereit. Freischärler. Gemeint ist ein militärischer Freiwilligenverband, der sich ohne den Auftrag, auch ohne die Unterstützung eines Staates in einen Krieg einmischt. Quasi von sich aus. Freischärler gab es in mittelalterlichen Kriegen in Europa häufiger. Das Völkerrecht hält für sie mittlerweile auch eine klare Bewertung bereit: Freischärler handeln illegal.

Wer nicht von einer staatlichen Kriegspartei aufgefordert wird, sich am Krieg zu beteiligen, der soll sich, bitte, gefälligst heraushalten: Das ist eine der Regeln des humanitären Völkerrechts, die mit der bescheidenen Hoffnung verbunden sind, dass der Krieg zumindest nicht grenzenlos eskalieren möge. Diese Regel galt und gilt zum Beispiel auch für die islamistischen Kämpfer von al-Qaida, die auf eigene Rechnung agieren und deshalb wahlweise als "illegale Kämpfer" oder "Terroristen" eingestuft werden.

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Geraten sie in russische Hand, kann auch das Rote Kreuz nichts tun für sie

Für die Männer des "Russische Freiwilligenkorps" heißt dies, dass sie von internationalen Institutionen keinen besonderen Schutz erwarten dürfen. "Wer als Zivilist einfach so zur Waffe greift und jemanden erschießt, begeht eine Straftat", sagt der Direktor der vom Auswärtigen Amt getragenen Akademie Nürnberger Prinzipien, Christoph Safferling. Das hat harte Konsequenzen, anders als bei einem legalen Kombattanten im Krieg, der straflos davonkommt.

Vorausgesetzt, die Gruppe ist tatsächlich von Kiew weder gesteuert noch finanziert, dann gilt für sie der Grundsatz, der für alle Zivilisten im Krieg gilt: Gewaltanwendung ist für sie tabu. Eine zweite Folge ist für die Kämpfer dann noch schlimmer: "Wenn sie den Russen in die Hände fallen, wird nicht einmal das Rote Kreuz dafür plädieren können, dass sie einen Schutzstatus als Kriegsgefangene erhalten und nach Kriegsende freigelassen werden sollten."

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Eine andere Frage ist aber, ob die Ukraine auch verpflichtet ist, die Taten der "Freiwilligenkorps" zu unterbinden. Trägt die Ukraine sogar Mitschuld an deren rechtswidrigem Tun, wenn sie nicht eingreift? Wenn es sich um Kriminelle handelt, die von niemandem Befehle annehmen, dann ist das natürlich schon faktisch schwierig. Aber auch rechtlich sei das zweifelhaft, sagt der Völkerrechtler Markus Krajewski, der in Erlangen lehrt.

Die Söldner von Wagner sind ein ganz anderer Fall - sie handeln im Auftrag

"In einer Situation der Selbstverteidigung, in der sich die Ukraine befindet, wird man die sonst üblichen Pflichten zur Strafverfolgung kaum so streng einfordern können", meint er. Aber er weist auch darauf hin: Falls sich herausstellen sollte, dass die Ukraine etwa dabei behilflich gewesen ist, den Freischärlern Waffen zu verschaffen, könnte es doch noch Ärger geben. Zumindest, weil Kiew seinen westlichen Waffenlieferanten doch versprochen hat, diese nicht für Attacken auf Russland zu verwenden. Wie gesagt: falls.

Mit alldem unterscheidet sich das "Freiwilligenkorps" deutlich von den Söldnern der Gruppe Wagner. Die Gruppe Wagner, eine Privatarmee unter anderem aus befreiten Strafhäftlingen, kämpft eindeutig im Auftrag und auf Seiten Russlands, obwohl sie auch ein gewisses Eigenleben führt. Damit sind die völkerrechtlichen Rechte und Pflichten hier auch nicht anders als bei regulären Soldaten. Wenn Wagner-Söldner gefangen werden, haben sie denselben Anspruch auf einen Schutz als russische Kriegsgefangene wie Moskaus reguläre Soldaten.

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