Krieg in der Ukraine:Der Westen erhöht den Einsatz

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Ukrainische Soldaten drängen sich in Kiew in einer Kirche, um das orthodoxe Weihnachtsfest zu feiern. (Foto: GLEB GARANICH/REUTERS)

Die USA, Frankreich und auch Deutschland liefern nun Panzer an die Ukraine, Berlin stellt etwa 40 "Marder"-Panzer zur Verfügung. Die russische Botschaft in Berlin sieht die Entscheidung als "Schritt hin Konflikteskalation".

Von Cathrin Kahlweit und Roland Preuß

Monatelang hat die Ampelkoalition in Berlin kontrovers darüber diskutiert, nun macht sie den Weg frei für die Lieferung deutscher Schützenpanzer an die Ukraine. Nach Angaben der Bundesregierung soll das Land bis Ende März etwa 40 Schützenpanzer vom Typ Marder erhalten. Zudem soll ein Patriot-Flugabwehrsystem an die Ukraine geliefert werden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte eine Lieferung der Panzer bisher abgelehnt und argumentiert, dass Deutschland bei den Panzerlieferungen international keine Alleingänge unternehme.

Am Mittwoch hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron dann mitgeteilt, sein Land werde der Ukraine "leichte Kampfpanzer" liefern, wenig später sagte US-Präsident Joe Biden, dass auch die USA die Lieferung von Schützenpanzern an die Ukraine erwäge. Nach einem Telefonat von Scholz mit Biden erklärte die Bundesregierung am Donnerstagabend, man beabsichtige, Marder-Panzer zu liefern, das deutsche Gegenstück zu den von Biden angesprochenen Panzern vom Typ Bradley.

Der Schützenpanzer Marder stammt aus den 1960er-Jahren, wird jedoch bis heute von der Bundeswehr genutzt. Laut Verteidigungsministerium sollen die Panzer für die Ukraine sowohl von der Bundeswehr als auch aus Beständen der Industrie kommen. Bisher hat Deutschland der Ukraine Gepard-Flakpanzer zur Flugabwehr und weiteres militärisches Gerät geliefert, aber keine Schützen- oder Kampfpanzer.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit trat am Freitag dem Eindruck entgegen, Scholz habe vor allem auf den Druck durch die Entscheidungen in Paris und Washington reagiert. Man habe sich vielmehr intensiv miteinander abgestimmt, deshalb gebe es nun "diese deutsch-amerikanische Initiative". Das Patriot-Flugabwehrsystem werde der Ukraine auf Bitten der Amerikaner bereitgestellt. Die Ausbildung ukrainischer Soldaten an den Marder-Panzern und am Patriot-System soll acht Wochen dauern. Es sei zu befürchten, dass mit steigenden Temperaturen im Frühjahr auch die Kampfhandlungen wieder zunähmen, sagte er. In Berlin eröffnete der Grünen-Politiker Anton Hofreiter die Debatte, dass nun auch Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 geliefert werden müssten. Politiker aus der FDP und Union schlossen sich dieser Forderung an.

Russland hat in einer ersten Reaktion am Freitagabend die Entscheidung Deutschlands zur Lieferung von Schützenpanzern und eines Patriot-Flugabwehrsystems an die Ukraine als "Schritt hin zur Konflikteskalation" verurteilt. Mit der Bereitstellung dieser schweren Waffen werde erneut eine "moralische Grenze" überschritten, erklärte die russische Botschaft in Berlin.

Lob sogar von Melnyk

In der Ukraine ist man mehr als erleichtert, dass nach Frankreich und den USA nun auch Deutschland angekündigt hat, Marder-Schützenpanzer zu liefern. Präsident Wolodimir Selenskij dankte Bundeskanzler Scholz in einem Telefonat für "das mächtige Verteidigungspaket", wie das Präsidialamt in Kiew mitteilte. Zuvor hatte Selenskij auch getwittert, Deutschland leiste einen wichtigen Beitrag, dass "alle russischen Raketen abgefangen" würden.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba zog nach und sprach von einer "Kaskade guter Nachrichten". Nach dem Ende des Tabus für Panzerlieferungen von den Alliierten führe jede solche Nachricht "mehr Zähneknirschen im Kreml".

Der ukrainische Präsident hatte zuletzt bei seinem Blitzbesuch in Washington kurz vor Weihnachten dringlich um entsprechende Zusagen gebeten. Es gebe absolut keinen rationalen Grund, so Selenskij, warum der Westen seinem Land keine Panzer liefere. "Wir müssen die russische Aggression stoppen und dürfen keine Möglichkeit auslassen, die den Sieg über diesen terroristischen Staat beschleunigt." Moderne Panzer westlicher Bauart seien nur ein Mittel zur effektiven Verteidigung gegen den Aggressor.

Der ehemalige Botschafter in Deutschland und neue Vizeaußenminister der Ukraine, Andrij Melnyk, twitterte nach Bekanntwerden der deutschen Ankündigung: "Marder. Finita la comedia. Amen" - womit er zum Ausdruck brachte, dass in seinen Augen ein langes Gezerre nun endlich ein Ende finde.

In Kiew ist man überzeugt - vor Verhandlungen braucht es weitere Geländegewinne

Im Präsidialpalast in Kiew ist man fest davon überzeugt, dass nur weitere Geländegewinne und die Rückeroberung besetzter Gebiete überhaupt eine Basis für Friedensverhandlungen mit Moskau bieten können. Wenn die ukrainische Armee ihre bisher recht erfolgreiche Gegenoffensive aber fortsetzen möchte, dann braucht sie Waffen und Fahrzeuge, die Truppen Schutz bieten und trotzdem schnelle Vorstöße ermöglichen. Nach Angaben Kiews würden jetzt vor allem schwere Panzer gebraucht, um die Frontstellung zu überwinden. Laut der ukrainischen Armeeführung könnten westliche Waffensysteme einen entscheidenden Unterschied machen, gefordert werden daher weiterhin nicht nur Schützenpanzer vom Typ Marder, sondern insbesondere auch Kampfpanzer vom Typ Leopard. Widersprüchliche Meldungen gab es am Freitag darüber, ob die von Kremlchef Wladimir Putin ausgerufene Waffenruhe während des orthodoxen Weihnachten hält.

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