Ukraine:Julia Timoschenko will Hungerstreik beenden

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Aus Protest gegen ihre Haftbedingungen verweigert die ukrainische Oppositionsführerin Julia Timoschenko seit Wochen die Nahrungsaufnahme. Nun will sie ihren Hungerstreik beenden, sagt ihr Anwalt. Überzeugt habe sie ein Neurologie-Professor aus Berlin.

Die inhaftierte ukrainische Oppositionsführerin Julia Timoschenko will laut ihrem Anwalt ihren Hungerstreik beenden. Die frühere ukrainische Ministerpräsidentin habe der Verlegung in ein staatliches Krankenhaus zugestimmt, sagte ihr Anwalt Sergej Wlasenko am Dienstagnachmittag nach einem Treffen mit seiner Mandantin in Charkiw. "Timoschenko ist bereit, sich morgen in das Krankenhaus verlegen und sich von dem Neurologie-Professor aus der Berliner Charité, Lutz Harms, erst einmal aus dem Hungerstreik herauszuführen zu lassen", sagte Wlasenko.

Der Spezialist, der Timoschenko im Gefängnis besucht hatte, habe ihr klargemacht, dass eine Fortsetzung des Hungerstreiks und eine weitere Nichtbehandlung des Bandscheibenvorfalls zu bleibenden Schäden führen kann. Sie brauche nun bis zu zwei Wochen, um sich zu erholen.

Die Ex-Regierungschefin, die aus Protest gegen ihre Haftbedingungen seit dem 20. April die Nahrungsaufnahme verweigert, verbüßt derzeit eine siebenjährige Haftstrafe wegen angeblichen Amtsmissbrauchs. Wie mehrere Medien berichteten, sei die 51-Jährige bei der Verlegung aus der Haftanstalt in ein Krankenhaus vor einigen Wochen, wo sie von deutschen Ärzten behandelt werden sollte, geschlagen und misshandelt worden. Die Ikone der "Orangefarbenen Revolution" weigert sich, sich von ukrainischen Ärzten untersuchen zu lassen.

Timoschenko war im Oktober 2011 wegen eines angeblich unvorteilhaften Gasvertrags mit Russland verurteilt worden. Beobachter werfen Staatspräsident Viktor Janukowitsch vor, seine politische Rivalin kaltstellen zu wollen.

Nach scharfen internationalen Protesten hat die Ukraine einen geplanten Gipfel im Schwarzmeerort Jalta abgesagt. Weil zahlreiche Staatsoberhäupter, darunter Bundespräsident Joachim Gauck, fernbleiben wollten, ist das Treffen am 11. und 12. Mai auf der Halbinsel Krim auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Mindestens zehn europäische Staatschefs hatten abgesagt. Wegen des heftigen Streits um die Oppositionsführerin Timoschenko fordern viele Politiker auch einen Boykott der Fußball-Europameisterschaft im Juni in der Ukraine. Die EU-Kommission will den Spielen in der ehemaligen Sowjetrepublik demonstrativ fernbleiben.

Das ukrainische Außenministerium kritisierte den Boykott. "Eine solche Haltung ist destruktiv", sagte ein Sprecher. Die Ukraine und Polen, die die EM vom 8. Juni bis 1. Juli gemeinsam veranstalten, würden "Fans aus über 100 Ländern zu diesem Feiertag des Sports" erwarten. Auch der ukrainische EM-Direktor Markijan Lubkiwski sprach sich gegen eine Verbindung des Turniers mit dem Fall Timoschenko aus. "Keine juristische oder politische Frage lässt sich mit dem Boykott einer sportlichen Großveranstaltung lösen", sagte Lubkiwski.

© Süddeutsche.de/afp/dpa/dapd/beitz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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