Ukraine:Der mächtigste Mann des Ostens

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Rinat Achmetow aus Donezk, reichster Mann der Ukraine, "Erfinder" und Förderer von Janukowitsch, finanzierte die Regierungspartei und den Präsidenten. (Foto: dpa)

Seine Fabriken, seine Politiker, sein Fußballverein: Der Oligarch Rinat Achmetow aus Donezk gilt als wichtiger Entscheider für die Zukunft der Ukraine. Die Menschen im Land fragen sich, wie er zu der separatistischen Revolte steht.

Von Cathrin Kahlweit, Kiew

In der Ukraine lachte man schon immer gern über den tumben Präsidenten Viktor Janukowitsch. Den meisten Menschen aber ist das Lachen gründlich vergangen. Denn mittlerweile ist bekannt, dass Janukowitsch vor seiner Flucht nach Russland sein zusammengeklautes Privatvermögen, mehr als 200 Millionen Euro, offenbar auf Konten in der Schweiz, Liechtenstein und Österreich schaffen ließ.

Die Satiriker-Truppe "Quartal 95" machte sich schon 2012 lustig über den korrupten Staatschef und das Geld. Janukowitsch habe, lästerten die Komiker, in seinem Büro ein Foto an der Wand hängen, das ihn immer daran erinnere, wer der eigentliche Boss im Land sei. Es sei ein Bild des Oligarchen Rinat Achmetow. Und bei Live-Auftritten sangen sie gern ein Lied, in dem es hieß: "Wenn der Croupier am Sessel klebt, sollte man besser das ganze Casino schließen."

Jeder Ukrainer wusste, was damit gemeint war: Rinat Achmetow aus Donezk, reichster Mann der Ukraine, "Erfinder" und Förderer von Janukowitsch, finanzierte die Regierungspartei und den Präsidenten. Er hatte den einstigen Gouverneur von Donezk groß gemacht, er steuerte die Politik in Kiew mit seinen Milliarden. Wer das korrupte System ändern wollte, der musste, so "Quartal 95", also wohl oder übel beim wichtigsten Geldgeber anfangen.

Die Rolle Achmetows bei der momentanen Krise ist undurchsichtig

Das ist leichter gesagt als getan, wie die ukrainische Übergangsregierung derzeit erleben muss. Denn die Rolle Achmetows bei der momentanen Krise im Land ist undurchsichtig. Während des Aufstands auf dem Maidan hatte er sich in vorsichtiger Zurückhaltung geübt. Im Februar dann ließ er Janukowitsch fallen, als klar wurde, dass dieser als Präsident nicht mehr vermittelbar war. Die etwa 50 Parlamentsabgeordneten, die, wie in der Ukraine nicht unüblich, direkt auf der Gehaltsliste des Wirtschaftsbosses aus dem Osten standen, votierten für die Absetzung von Janukowitsch.

Dann folgte auf den Aufstand vom Maidan der Aufstand im Osten, im Industriegebiet Donbass an der russischen Grenze. Dort hat der 48-jährige Oligarch tatarischer Abstammung seine Machtbasis, seine Bergwerke, seine Fabriken. Ein Großteil der 300 000 Menschen, die für seine Unternehmen arbeiten, lebt dort. Sein Fußballverein Schachtjor Donezk hat dort sein Stadion. In Donezk tauchte Achmetow auch im April auf, als die prorussischen Kräfte die Bezirksverwaltung besetzt hatten. Mit seiner hohen Stimme rief er zu Verhandlungen auf - nur um dann sofort zu sagen, im Zweifel stehe er "hinter dem Volk".

Seither haben die gut organisierten und erkennbar gesteuerten Aktivitäten der Separatisten eine radikalere Wendung genommen. Moskau schickt offensichtlich Geld und Spezialisten. Aber wie, fragt man sich in der Ukraine, steht der Unternehmer Achmetow, der einen Teil seines Vermögens von etwa 15 Milliarden Dollar im Handel mit Russland gemacht hat, zu der Revolte? Wie steht er zu dieser zunehmend anarchischen, gewalttätigen Bewegung, die mittlerweile die Angliederung des Donbass an Russland plant?

Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat sich mit Achmetow getroffen

Am Mittwochabend äußerte sich Achmetow im ukrainischen Fernsehen. Kurz zuvor war das erste Treffen des runden Tisches unter Vermittlung der OSZE weitgehend ergebnislos zu Ende gegangen. Vor dem Treffen hatte es noch geheißen, der mächtigste Mann des Ostens werde daran teilnehmen; warum das nicht so war, blieb unklar. Ein Regierungsmitglied sagt auf Nachfrage zweifelnd, der Milliardär habe Einfluss und Verantwortung. "Wir hoffen sehr, dass sein Wirken ein patriotisches ist." Auch der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte sich Anfang der Woche mit Achmetow getroffen, wohl wissend, dass dieser einer der wichtigsten Entscheider ist, wenn es um die Zukunft der Ukraine geht.

Der Oligarch machte nun deutlich, dass es nicht nur politische, sondern auch wirtschaftliche Interessen sind, die ihn leiten. Er wolle, sagte der Strippenzieher im Sender TRK, den Donbass "glücklich" sehen. Glück - das sei Sicherheit, ökonomische Stärke, sei Arbeit, Geld und ein gutes Leben. Glück sei aber auch, wenn die eigene Kultur respektiert werde und man seine Sprache sprechen könne. Dann spielte der Milliardär drei Szenarien für die Zukunft der Ostukraine durch. Es könne nicht so bleiben, wie es sei - mit Kiew als Zentralmacht und den Regionen ohne Einfluss. Eine unabhängige Republik Donezk wiederum sei eine Totgeburt, niemand werde sie anerkennen. Die Wirtschaft werde einbrechen, Arbeitslosigkeit und Armut wären die Folge. Ein Anschluss an Russland nütze weder Moskau noch dem Donbass, und auch dann wäre ein ökonomischer Niedergang die Folge. Der Unternehmer forderte daher eine Verfassungsänderung und einen dezentralisierten Staat. Die Regionalregierungen müssten gewählt, nicht ernannt werden. Er glaube, so Achmetow, der Donbass könne nur in einer geeinten Ukraine glücklich sein.

Hier habe einer, der seinen Einfluss wahren wolle, die politische Agenda für die nächsten Wochen bestimmt, heißt es nun in Kiew. Einige Gesprächspartner verweisen auch darauf, dass gegen Achmetow in der Schweiz wegen Geldwäsche ermittelt werde. Dieser Mann wolle daher weiter die Politik kontrollieren, denn nur so sei er auf lange Sicht auf der sicheren Seite.

© SZ vom 16.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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