Türkischer Wahlkampf:Bundesregierung erlaubt türkische Wahlurnen auf deutschem Boden

Lesezeit: 3 min

Der Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) sagte am Mittwoch den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, Deutschland könne Wahlkampfauftritte türkischer Politiker sehr wohl auch verbieten. (Foto: dpa)
  • Am Mittwoch verschärfte die Bundesregierung ihren Tonfall in Richtung Türkei.
  • Deutschland habe die Möglichkeit, Wahlkampftauftritte türkischer Politiker zu verbieten, warnte Kanzleramtsminister Altmaier.
  • Die Bundesregierung hat der türkischen Regierung Wahlkampf und Abstimmung in Deutschland vorerst erlaubt - wenn die Regeln eingehalten werden.

Von Stefan Braun, Berlin

Am Morgen, als nur die Äußerungen von Peter Altmaier bekannt sind, erscheint die Aktion vor allem wie ein Akt der Solidarität mit einer bedrängten Christdemokratin. In einem Zeitungsinterview spricht der Kanzleramtsminister von der "Ehre Deutschlands" und betont, die Bundesrepublik habe im Dauerkonflikt mit der türkischen Führung sehr wohl die Möglichkeit, Wahlkampfautritte türkischer Minister in Deutschland zu verbieten. Dass die Bundesregierung davon noch keinen Gebrauch gemacht habe, solle niemand falsch interpretieren. "Es ist keine Freikarte für die Zukunft", sagte Altmaier den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Die Worte klangen wie ein: Wir können auch anders. Und sie wirkten wie eine Verteidigung des Saarländers für die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer.

Diese nämlich hatte am Tag zuvor erklärt, sie werde alle Auftritte türkischer Politiker im Saarland verbieten. Damit hatte ausgerechnet die Merkel-freundliche Ministerpräsidentin aus Saarbrücken jene Linie durchbrochen, die das Kanzleramt bislang beharrlich vertreten hatte: dass Deutschland im derzeitigen Konflikt mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan seine demokratische Stärke beweisen und also Auftritte türkischer Politiker in Deutschland nicht unterbinden sollte.

Kramp-Karrenbauer ist in Bedrängnis; anderthalb Wochen vor den Landtagswahlen erlebt auch sie an der Saar, wie viel Zulauf Martin Schulz der SPD beschert. Also spricht Altmaier von der Ehre Deutschlands und will so halt auch seiner Parteifreundin helfen.

In der Botschaft und in allen Konsulaten dürfen Stimmen abgegeben werden

Wenige Stunden später zeigt sich freilich, dass Altmaier nur eine Art Vorhut war für eine diplomatische Stellungnahme der gesamten Bundesregierung. Am Mittag erklärt das Auswärtige Amt, dass Berlin nun hochoffiziell entschieden habe, der türkischen Regierung die Abhaltung der Abstimmung auch in Deutschland zu erlauben.

In einer sogenannten Verbalnote an den türkischen Botschafter in Deutschland erklärt die Bundesregierung, dass die Türkei wie beantragt in all ihren diplomatischen Vertretungen in Deutschland über das Verfassungsreferendum abstimmen lassen darf.

SZ-Grafik (Foto: SZ-Grafik)

Das heißt: In der Botschaft und in allen Konsulaten dürfen die in Deutschland lebenden und in der Türkei bis heute wahlberechtigten Türken ihre Stimme abgeben. Mehr noch: Aus logistischen Gründen darf die Türkei auch in Dortmund, Nürnberg, München, Hannover zusätzliche Wahllokale einrichten. Auf diese Weise soll es ihr möglich sein, bis zum 9. April alle stimmberechtigten Türken abstimmen zu lassen. In der Türkei selbst wird die Bevölkerung am 16. April über das Referendum entscheiden.

Martin Schäfer, der Sprecher von Außenminister Sigmar Gabriel, sprach am Mittwoch von einer Entscheidung, die eine "klare Haltung" und "feste Grundsätze" der Regierung ausdrückten. Denn neben der Erlaubnis zu Wahlkampf und Abstimmung enthalte die Verbalnote auch klare Bedingungen und Voraussetzungen, die von der türkischen Seite eingehalten werden müssten. Sollte gegen diese verstoßen werden, könne die Bundesregierung ihre jetzige Entscheidung wieder zurückzunehmen. Schäfer sprach für diesen Fall von "notwendigen, geeigneten und verhältnismäßigen Reaktionen", die man sich vorbehalte.

Laut Schäfer gehört zu den Bedingungen, dass die Veranstaltungen und die Abstimmung nach den in Deutschland geltenden demokratischen Grundsätzen durchgeführt werden. Mit Blick auf die Wahlauftritte heißt das laut Schäfer vor allem, dass sie frühzeitig angemeldet werden müssen, dass der Ort der Veranstaltung klar benannt und der Zweck des Auftritts unmissverständlich offengelegt werden muss.

Außerdem erinnerte Schäfer an den Paragrafen 90 a des Strafgesetzbuches. In ihm werde festgehalten, dass alle, die den Staat Deutschland oder seine Symbole vorsätzlich beschimpfen oder verächtlich machen, mit einer Freiheitsstrafe rechnen müssen. Er beeilte sich zwar herauszustellen, dass ausländischen Politikern keine Strafe drohe, da sie laut Völkerrecht eine umfassende Immunität genießen würden.

Sein Hinweis zielte in eine andere Richtung: Sollten türkische Politiker sich in Deutschland derart danebenbenehmen, müsste die Polizei wahrscheinlich eingreifen und den Auftritt beenden. Seine Botschaft soll bei aller Gelassenheit also vor allem eines: Sie soll disziplinierend wirken. Sogleich gelungen ist das allerdings nicht.

Auch am Mittwoch wetterte Erdoğan gegen Europa und dessen "faschistische Tendenzen". Gleichwohl erhielt die Bundesregierung Unterstützung von der Opposition. Die Grünen-Politikerin Claudia Roth sagte bei einem Treffen mit türkischen Oppositionspolitikern, man müsse gerade jetzt gelassen bleiben. Erdoğan brauche die Provokation und den äußeren Feind, um für die Schaffung einer präsidialen Autokratie zu mobilisieren. "Den Gefallen sollten wir ihm nicht tun."

© SZ vom 16.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Referendum
:Erdoğan spaltet die Münchner Türken

Zwischen Angst und Hoffnung: Die Diskussionen über das Referendum werden von Tag zu Tag hitziger.

Von Thomas Anlauf

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: