Türkei und Griechenland:Neuer Annäherungsversuch

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Auf Eskalations-Kurs: Das Forschungsschiff "Oruç Reis", eskortiert von Schiffen türkischer Streitkräfte, im östlichen Mittelmeer im August 2020. (Foto: IHA/AP)

Im Streit um Erdgasvorkommen im Mittelmeer wollen Athen und Ankara wieder miteinander reden. Ob sie sich einigen, ist weiterhin höchst fraglich.

Von Tomas Avenarius, Istanbul

Gerade noch sah es so aus, als ob es zum Krieg kommen könnte, nun aber will man sich an den Tisch setzen und verhandeln: Im Konflikt um die auf dem Grund des Mittelmeers vermuteten Erdgasvorkommen hatten die Fregatten der Türkei und Griechenlands sich bedrohlich umkreist, die Regierungen in Ankara und Athen mehr als nur sprichwörtlich mit dem Säbel gerasselt, und Mächte wie die USA, Frankreich oder die Vereinigten Arabischen Emirate hatten mit der Entsendung eigener Kriegsschiffe und Kampfjets ihr Gewicht zugunsten Griechenlands in die Waagschale geworfen.

Nun aber gibt sich der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan anlässlich der anstehenden Aufnahme sogenannter "Annäherungsgespräche" zwischen Ankara und Athen versöhnlich. Er sagte: "Ich denke, die Sondierungsgespräche mit unserem Nachbarn Griechenland werden eine neue Ära einläuten."

Anlass des im vergangenen Jahr immer stärker eskalierten Konflikts waren die bewusst provokanten Fahrten türkischer Forschungs- und Bohrschiffe in von Griechenland beanspruchte Gewässer gewesen: Die Nachbarstaaten sind sich über die Seegrenzen im östlichen Mittelmeer mehr als nur uneins. Im Hintergrund schwang aber auch der offen erhobene Anspruch Ankaras auf die Anerkennung als regionale Mittelmeer-Vormacht mit.

Die EU hatte an der Sanktionsschraube gedreht

Der Ausbruch eines möglichen bewaffneten Konflikts war in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres durch internationale Vermittlung vor allem der Bundesrepublik, der Nato und der EU verhindert worden- sowohl der EU-Staat Griechenland als auch der Nicht-EU-Staat Türkei gehören dem westlichen Bündnis an: Ankara beendete gegen Jahresende die Exkursionen seiner Forschungsschiffe in die nach internationalem Recht griechischen Gewässer, die EU hatte an der Sanktionsschraube gedreht. Eine Einigung über Territorialgewässer, die Reichweite des türkischen Festlandsockels und der exklusiven Wirtschaftszone Griechenlands, die sich teilweise überschneiden, wurde bei all dem aber nicht erzielt.

Am 25. Januar wollen Vertreter beider Staaten nun in Istanbul eine Art von Annäherungsgespräch aufnehmen: Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu sagte: "Heute laden wir Griechenland ein, zu beginnen mit den Erkundungsgesprächen, von denen die erste Sitzung im Januar stattfinden soll." Die Chancen auf eine rasche Einigung sind jedoch gering. Die Kontrahenten gehen mit kaum vereinbarenden Erwartungen in die Verhandlungen. Athen will ausschließlich über die Größe der sogenannten "Exklusiven Wirtschaftszonen" - und damit über die Ansprüche auf dort vermutete Rohstoffvorkommen - sprechen. Die Türkei hingegen macht eine ganze Reihe von Fragen zum Thema. Ihr geht es um die Ansprüche kleiner und winziger griechischer Inseln auf Gewässer im östlichen Mittelmeer.

Ankara beklagt, dass Athen auf einigen Inseln Truppen stationiert hat

Diese Inseln liegen teilweise sehr nahe der türkischen Küste, dürfen aber nach griechischer Auffassung trotz ihrer geringen Größe weitreichende Seegebiete beanspruchen. Strittig ist auch der Zuschnitt des Luftraums über diesen Inseln. Zudem beklagt Ankara, dass Athen auf einigen dieser Inseln Truppen stationiert hat. Dies widerspreche den die Inselfragen betreffenden Abkommen. Der türkische Chefdiplomat Çavuşoğlu will daher bei den anstehenden Gesprächen über "alle strittigen Themen" verhandeln.

Trotz der nun beginnenden Gespräche bleibt die Lage brisant. Athen kauft von Frankreich 18 moderne Rafaele-Kampfflugzeuge und verlängert die Wehrpflicht von neun auf zwölf Monate: Griechenlands Streitkräfte sind ausgedünnt, Heer und Marine sind den türkischen Truppen zahlenmäßig weit unterlegen, nur die Luftwaffe gilt als ebenbürtig. Die Türkei baut ihre Waffenindustrie aus und rüstet seit Jahren stark auf. Zudem hat das türkische Militär in den jüngsten Kriegen im Nahen Osten und im Kaukasus, an denen es direkt oder indirekt beteiligt ist, Erfahrung im Einsatz moderner Waffen - wie etwa Drohnen - gewonnen.

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