Türkei:Rettung aus Deutschland

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Ein Mann in Istanbul mit seinem VW-Käfer. Wegen der Rezession in der Türkei wünschen sich viele Menschen, dass Volkswagen ein Werk baut. (Foto: Ozan Kose/AFP)

Wegen der Rezession: Türkische Städte wetteifern darum, Standort von Volkswagenwerken zu werden. Doch ob überhaupt ein Werk gebaut wird, ist noch nicht entschieden.

Von Christiane Schlötzer, Istanbul

Der Abgeordnete Murat Baybatur hat sich bereits ein VW-Logo für seinen Social-Media-Account zugelegt. Baybaturs Partei ist die AKP von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, sein Wahlkreis die Stadt Manisa, unweit der Ägäis-Metropole Izmir. Und Manisa ist nach Überzeugung des konservativen Politikers der beste Standort für ein Volkswagenwerk in der Türkei. Noch mindestens zwei andere türkische Städte preisen derzeit ihre Vorteile an, auch wenn es noch nicht einmal sicher ist, dass die Türkei überhaupt den Zuschlag für das deutsches Autowerk erhält.

Kritiker warnen wegen der Menschenrechtslage schon vor einem Engagement

"Der Stand der Dinge ist, dass es keine abschließende Entscheidung des Aufsichtsrats gibt", sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der auch im Aufsichtsrat von VW sitzt, am Dienstag der Deutschen Presseagentur (dpa) in Hannover. "Sicher ist", fügte Weil hinzu, "ganz egal wie auch immer diese Entscheidung ausfällt, es wird eine wirtschaftliche Entscheidung und keine politische Aussage sein."

Eine solche Unterscheidung dürfte Erdoğan kaum interessieren. Der Präsident würde sich ein Votum für die Türkei mit einer Investition von 1,3 bis zwei Milliarden Euro gewiss auf die eigenen Fahnen schreiben. Die Türkei rutschte zuletzt in die Rezession, die offizielle Arbeitslosenrate erreichte im ersten Quartal des Jahres 13,7 Prozent. Das geplante VW-Werk soll bis zu 5000 Jobs schaffen. Kritiker haben VW wegen der Menschenrechtslage schon vor einem Engagement in der Türkei gewarnt. Dazu sagte Weil, man sollte den Demokraten in der Türkei grundsätzlich nicht den Eindruck vermitteln, "wegen Präsident Erdoğan das Land insgesamt in Acht und Bann zu legen". Türkische Medien hatten von einem persönlichen Treffen von VW-Chef Herbert Diess und Erdoğan im Juni in der Türkei berichtet.

VW verwies jüngst darauf, dass die Tochtergesellschaft MAN seit Jahren in Ankara Busse produziert. Ein Konzernsprecher lobte "Liefertreue" und "höchste Qualitätsstandards" bei der Produktion in der Türkei. Auch Saudi-Arabien hatte VW ein Angebot unterbreitet, wie die ARD in der vergangenen Woche berichtete. Riad bot demnach eine Prämie von bis zu 1000 Dollar für jedes in den kommenden zehn Jahren produzierte Auto. Ein Engagement des Volkswagen-Konzerns in Saudi-Arabien scheidet aus politischen Gründen derzeit aber wohl grundsätzlich aus. Mit auf der Bewerberliste steht noch Bulgarien, das mit niedrigen Löhnen lockt.

Der türkische Markt ist aber wesentlich größer. Das Land gehört bereits jetzt zu den guten VW-Kunden. Gebaut werden sollen an dem neuen Standort offenbar Benzin- und Dieselfahrzeuge, während in Deutschland der Konzern zunehmend auf Elektromodelle umstellen will.

Einer der Großaktionäre von VW mit 17 Prozent der Stammaktien ist der Staatsfonds von Katar. Das Emirat ist der engste Bündnispartner der Türkei in der Region. Das Magazin Automobilwoche berichtete ohne Quellenangabe, Katar dringe darauf, das neue Werk in der Türkei zu bauen.

In Manisa sagte der Vorsitzende des regierungsnahen Unternehmerverbandes Müsiad, Reşit Ürper: "Wir sind eine Stadt mit industriellem und landwirtschaftlichem Potenzial." Lokalblätter zeigten bereits das angebliche Produktionsgelände. Ayberk Aloğlu, der in Manisa die Vereinigung der Exporteure in der Ägäis-Region leitet, hofft auf "wirtschaftliche Belebung" für seine Stadt mit ihren rund 280 000 Einwohnern. "Wir waren die ersten", sagt Aloğlu, "die VW diesen Vorschlag gemacht haben."

© SZ vom 31.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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