Türkei:Mär vom fernen Bündnisfall

Der IS bestimmt mit darüber, ob die Nato in Syrien in den Krieg ziehen muss.

Von Hubert Wetzel

Seit Jahren wütet in Syrien ein Bürgerkrieg, dessen Fronten immer verworrener werden und dessen Ende in immer weitere Ferne rückt. Es ist also durchaus verständlich, dass kein westeuropäischer Nato-Staat in diesen blutigen Strudel hineingerissen werden will.

Wenn die Bundesregierung aber betont, der Nato-Bündnisfall sei in Syrien "weit weg", dann stimmt das nicht ganz. Zwei wichtige Nato-Länder, die USA und die Türkei, führen dort bereits Krieg gegen die Terrormiliz Islamischer Staat. Derzeit tun sie das (im Falle Amerikas) in einer Koalition der Willigen, die neben anderen Nato-Mitgliedern auch arabische Länder umfasst, oder (im Falle der Türkei) mehr oder weniger auf eigene Rechnung. Und wie nebenbei hat Ankara sein Kampfgebiet nun auch wieder auf den Nordirak ausgeweitet.

Zwei Dinge lassen sich feststellen. Erstens: Der Syrien-Krieg bleibt die schwärende Wunde im Nahen Osten. Der Bürgerkrieg dort produziert Massen an Flüchtlingen und vergiftet die ganze Region. Zweitens: Wie weit weg der Bündnisfall ist, entscheiden im Zweifelsfall die Kämpfer des Islamischen Staates. Sie können, das hat der Anschlag in Suruç gezeigt, die Lage an der türkisch-syrischen Grenze - wenn man so will: der Grenze zwischen dem IS-Kalifat und der Nato - nach Belieben eskalieren lassen. Dann kann der Bündnisfall schnell näher sein, als es der Nato heute lieb ist.

© SZ vom 28.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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