Türkei:Anklage nach fast 500 Tagen Haft

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Solidarität mit einem Kulturmäzen: Anwälte ließen im Jahr 2018 für eine Pressekonferenz ein Poster mit dem Foto Osman Kavalas aufstellen. (Foto: Ozan Kose/AFP)

Die Staatsanwaltschaft in Istanbul fordert eine lebenslange Gefängnisstrafe für den Kulturmäzen Osman Kavala. Er soll die Gezi-Proteste im Jahr 2013 finanziert haben.

Von Christiane Schlötzer, Istanbul

Dem prominenten türkischen Kulturmäzen Osman Kavala, 62, droht lebenslange Haft. Die Istanbuler Staatsanwaltschaft hat nach Angaben der amtlichen Agentur Anadolu jetzt eine Anklageschrift gegen den Unternehmer fertiggestellt. Darin wird für den renommierten Förderer von Kunst und Kultur sowie für 15 Mitangeklagte erschwerte lebenslange Haft verlangt, wegen des "Versuchs, die Regierung zu stürzen". Die Anklageschrift wurde an ein Gericht geschickt, das sie nun noch annehmen muss, bevor es einen Termin für einen Prozess festlegt.

Unter den Mitangeklagten sind der bekannte Schauspieler Memet Ali Alabora, Mücella Yapıcı von der Istanbuler Architektenkammer und der bereits mehrfach angeklagte Journalist Can Dündar, der in Deutschland lebt.

Seit fast 500 Tagen sitzt Kavala schon in Untersuchungshaft. Er wurde am 18. Oktober 2017 bei seiner Rückkehr aus der Stadt Gaziantep von einer Besprechung mit dem Goethe-Institut auf dem Istanbuler Atatürk-Flughafen festgenommen. Präsident Recep Tayyip Erdoğan wirft ihm vor, die Gezi-Proteste im Jahr 2013 finanziert zu haben. Erdoğan sieht diese Proteste als Umsturzversuch. Er nannte Kavala den "türkischen Soros" und zog so eine Verbindung zu dem amerikanischen Philanthropen George Soros. Hinter Kavala stehe "der berühmte ungarische Jude Soros. Dies ist der Mann, der Leute um die Welt schickt, um Nationen zu spalten", sagte Erdoğan im November. Soros beendete daraufhin die Arbeit seiner Stiftung in der Türkei.

Kavala hat einen der größte Literaturverlage der Türkei gegründet, mit seiner Organisation Anadolu Kültür unterstützte er den Dialog zwischen den Volks- und Religionsgruppen. In Berlin und auch in Paris oder Washington war er ein gefragter Gesprächs- und Kooperationspartner. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier setzte sich in Gesprächen mit der türkischen Regierung für die Freilassung des Mäzens ein. Auf einer von seinen Freunden eingerichteten Webseite forderte Kavala schon vor Monaten, dass es endlich zum Prozess kommen möge, damit er sich vor Gericht gegen die "unbegründeten und haltlosen" Vorwürfe verteidigen könne. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hatte das türkische Verfassungsgericht aufgefordert, bis zum 21. Februar zu Kavalas Fall Stellung zu nehmen. Damit stand die Justiz unter Druck, sich offiziell zu äußern.

© SZ vom 21.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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