Tschechien:Sieg der Angstmacher

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Ein Macron alleine kann Europa nicht heilen. Die Wiederwahl des tschechischen Präsidenten Milos Zeman erinnert daran, wie gespalten die EU noch immer ist. Seinen Sieg darf Deutschland nicht unterschätzen.

Von Daniel Brössler

Lässt man Prunk und Pracht ihres jeweiligen Amtssitzes außer Acht, verbindet die Präsidenten der Französischen und der Tschechischen Republik fast nichts. Emmanuel Macron ist das 40 Jahre junge und zu Reformen drängende Staatsoberhaupt eines großen und einflussreichen Mitgliedsstaates der Europäischen Union. Sein Posten ist mit ungleich größeren Vollmachten ausgestattet als der des soeben wiedergewählten 73-jährigen Tschechen Miloš Zeman. Dennoch bilden der Sieg des Franzosen vergangenes Jahr und der des Tschechen an diesem Wochenende zwei Seiten derselben Medaille - zumindest für Europa. Macrons Sieg gegen die EU-Feindin Marine Le Pen war ein Augenblick des Aufatmens. Zemans Erfolg erinnert daran, dass die Krise aber nicht überwunden ist.

Er steht für Europas Spaltung, geografisch, politisch, mental. Der Präsidentenwahl in Tschechien war die vage Hoffnung vorausgegangen, dass diese Spaltung langsam überbrückt werden könnte. Ein Sieg des Akademikers Jiří Drahoš hätte gezeigt, dass auch ein versierter Populist vom Schlage Zemans besiegt werden kann. Vor allem hätte er bewiesen, dass überzeugte und überzeugende Europäer auch im Osten der Union noch Wahlen gewinnen können. Vielleicht können sie das ja auch. Aber die Hoffnung, dass das in absehbarer Zeit in Ländern wie Ungarn oder Polen geschehen könnte, schwindet. Der Ungar Viktor Orbán knöpft sich gerade die noch rechtere Opposition vor, um demnächst seine Wiederwahl zu sichern. Und in Polen genießt die Partei des nationalistischen Quasi-Regenten Jarosław Kaczyński ihren Höhenflug in den Umfragen.

Für Europa bedeutet das eine Gefahr, die in Deutschland zu wenig Beachtung findet. In Berlin ist das Gefühl stark ausgeprägt, dem französischen Präsidenten Macron nach seiner enthusiastischen Sorbonne-Rede eine Antwort schuldig zu sein. Das stimmt auch, aber eine Antwort nur für Paris reicht nicht. Die Union benötigt einen Kompromiss, der die Ambitionen Macrons versöhnt mit der Skepsis in Teilen der Bevölkerung, vor allem auch im Osten.

Die Wahl in Tschechien war in dieser Hinsicht exemplarisch. Zemans Herausforderer Drahoš hat versucht, mit einer liberalen Agenda gegen die ungehemmte Angstkampagne des Amtsinhabers zu gewinnen, ohne die emotionalen Realitäten in seinem Land zu verkennen. So verdammte er nicht die Aufnahme von Flüchtlingen unter allen Umständen, hütete sich aber vor der Zustimmung auch nur zur kleinsten Pflicht-Quote für eine EU-weite Verteilung. Damit hat er immerhin fast die Hälfte der tschechischen Wähler erreicht.

Der Pöbler von der Prager Burg darf weiterhin Russlands Präsidenten Putin bewundern

Trotz seiner Pöbeleien und ungeachtet seiner Bewunderung für Wladimir Putin bleibt Zeman als einer der Nachmieter Václav Havels auf der Prager Burg, weil er es verstanden hat, Ängsten nicht zu begegnen, sondern sie nutzbringend zu schüren. Anders als etwa Kaczyński in Polen verfolgt er dabei keinen großen, ideologischen Plan. Zwar liebäugelt er mit einem Referendum, will aber sein Land gar nicht aus der EU führen. Zemans Agenda ist verquast, seine Macht beschränkt. Es ist deshalb leicht, die Bedeutung seines Sieges zu unterschätzen. Wo aber unablässig jene gewinnen, die Angst schüren und Abschottung predigen, wird die Europäische Union auf Dauer keine Chance haben.

© SZ vom 29.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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