Tschechien:Einmaliger Tabubruch

Miloš Zeman will den angeklagten Babiš als Regierungschef durchsetzen, um seine eigene Macht zu sichern.

Kommentar von Florian Hassel

Wie Polen, Deutsche und Rumänen erleben auch die Tschechen gerade, dass das Amt des Präsidenten entscheidende Bedeutung bekommt, wenn es im demokratischen Gefüge knirscht. In Warschau hat der studierte Jurist Andrzej Duda in den vergangenen zwei Jahren als Präsident noch die rechtswidrigsten Gesetze unterschrieben, wenn sie nur die Macht seiner Partei förderten.

In Rumänien dagegen weigert sich Präsident Klaus Johannis, einer der wenigen demokratisch überzeugenden Politiker der Region, beharrlich, von der Justiz angeklagte oder gar verurteilte Politiker in Ämter zu ernennen. Doch in Tschechien will Präsident Miloš Zeman den wegen des Verdachts auf massiven Betrug angeklagten Andrej Babiš vor Klärung der Vorwürfe als Regierungschef durchsetzen, um seine eigene Macht zu sichern - ein in der EU einmaliger Tabubruch.

Allerdings ist das flexible Verhältnis sowohl Zemans wie Babiš' zum Rechtsstaat einer Hälfte der Tschechen herzlich gleichgültig. Für die andere Hälfte steht mit dem angesehenen Wissenschaftler Jiří Drahoš ein überzeugender Gegenkandidat bereit, der zudem Populismus und Fremdenfeindlichkeit ablehnt und entschieden für die EU eintritt.

So gewinnt die tschechische Präsidentschaftswahl erhebliche Bedeutung. Nicht nur den Tschechen ist zu wünschen, dass Miloš Zeman die Schlüssel zum Prager Präsidentensitz bald abgeben muss. Es wäre ein guter Tag - für Tschechien und für Europa.

© SZ vom 12.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Von Florian Hassel

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