Tschechien:Babiš in Prag vereidigt

Milliardär Andrej Babiš von der liberal-populistischen Partei führt nun die tschechische Regierung an. (Foto: David W. Cerny/Reuters)

Das Land hat eine neue Regierung - über eine stabile Mehrheit verfügt Premier Andrej Babiš aber nicht. Schon im Januar muss er sich einer Vertrauensabstimmung stellen.

Von Florian Hassel, Warschau

Knapp acht Wochen nach der Parlamentswahl hat Tschechien eine neue Regierung - ihre Stabilität bleibt allerdings mindestens bis Januar 2018 fraglich. Die neue Regierung, die am Mittwoch von Präsident Miloš Zeman vereidigt wurde, wird vom Milliardär Andrej Babiš geführt. Seine liberal-populistische Partei kam bei der Parlamentswahl auf knapp 30 Prozent der Stimmen und stellt 78 von 200 Abgeordneten im tschechischen Parlament.

Eine Koalitionsregierung kam bisher nicht zustande, weil Babiš von der Prager Staatsanwaltschaft wegen mutmaßlichen Subventionsbetrugs in Millionenhöhe angeklagt ist und andere Parteien nicht mit einem angeklagten Regierungschef koalieren wollen. Nun formte er eine Minderheitsregierung, und so wird Tschechien beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag durch einen Premier vertreten, der angeklagt ist, eben diese EU betrogen zu haben: Babiš soll beim Bau eines Luxusresorts durch Verschleierung der Eigentümerstruktur von der EU knapp zwei Millionen Euro Subventionen erhalten haben, die nur Klein- und Mittelunternehmern zustehen. Die EU-Anti-Betrugsbehörde Olaf untersuchte den Fall, gab das Ergebnis aber bisher nicht bekannt. In Prag verzögerte der Mandatsausschuss des Parlaments eine Abstimmung über die Aufhebung der Immunität Babiš', der sich erst am 9. Januar der Vertrauensfrage stellen will. Beobachter rechnen damit, dass Babiš die Abstimmung verliert - dass die Androhung von Neuwahlen andere Parteien jedoch dazu bringt, ihm in einem zweiten Votum das Vertrauen auszusprechen. Mehrere Parteien kamen bei der Wahl vom Oktober nur knapp ins Parlament und müssten fürchten, den erneuten Einzug zu verpassen. Babiš könnte möglicherweise auch mit Unterstützung der tschechischen Kommunisten und der rechtsradikalen SPD regieren.

© SZ vom 14.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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