Tschechien:"18 Stunden am Tag Premier"

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Regierungschef Andrej Babiš bestreitet Interessenskonflikte. Er ist der zweitreichste Mann des Landes.

Von M. KOLB, V. Großmann, Brüssel/Prag

Er halte sich genau ans Gesetz und befinde sich in keinerlei Interessenkonflikt, schrieb Andrej Babiš am Samstagmorgen auf Facebook. Dort wendet sich der tschechische Premier und zweitreichste Mann des Landes gewohnt jovial an seine Landsleute. Er verwalte keine Fonds. "Dafür habe ich gar keine Zeit. Ich widme mich voll und ganz der Arbeit des Premiers, oft 18 Stunden am Tag."

Ein Gutachten der EU-Kommission, das die Süddeutsche Zeitung am Wochenende publik gemacht hatte, zeigt eindeutig, dass Babiš als Geschäftsmann von Millionen Euro an EU-Subventionen profitierte. Zur Zeit wird in der EU über die Reform der Landwirtschaftssubventionen verhandelt, künftig könnten kleinere Betriebe besser gestellt werden - zum Nachteil von Ländern wie Tschechien, wo sich nach der Wende statt der sozialistischen private Großbetriebe etabliert haben. Mit Agrofert gehört Babiš ein solcher, zu dem die Bäckerei Lieken in Deutschland zählt.

Die Opposition sieht die Chance, den ungeliebten Premier loszuwerden, gegen den auch wegen Subventionsbetrugs ermittelt wird. "In jedem demokratischen Land würde das bedeuten, dass der Premier sein Amt niederlegt", erklärte der Chef der oppositionellen Bürgerdemokraten (ODS), Petr Fiala. Babiš gefährde sein Amt und das Ansehen des Landes. Die tschechische Sektion von Transparency International (TI) forderte am Wochenende, Babiš müsse Agrofert verkaufen oder als Premier zurücktreten. Die Piratenpartei, drittstärkste im Parlament, hatte sich mit TI beraten und sich wegen möglicher Interessenskonflikte des Premiers an tschechische sowie EU-Behörden gewandt. Er wolle an diesem Montag die zuständigen Behörden auffordern, sich mit der Sache zu befassen, sagte Vorsitzender Ivan Bartoš, auch der Premier müsse Gesetze einhalten.

Nun soll der Justizminister ein Gutachten vorlegen

Landwirtschaftsminister Miroslav Toman von der Koalitionspartei ČSSD wird ebenfalls ein Interessenskonflikt vorgeworfen. Seinem Vater gehören 80 Prozent der Aktiengesellschaft Agrotrade, deren Direktor Tomans Bruder ist. Babiš erklärte, die Ministerin für Ortsentwicklung Klára Dostálová habe bereits vor einem Monat den Justizminister um ein Rechtsgutachten zum Interessenskonflikt gebeten. Es soll am Montag in der Regierung behandelt werden. Beide Minister gehören zu Babiš' Bewegung Ano. Auch gegen Dostálová wird wegen Subventionsbetrugs ermittelt.

In Brüssel diskutiert der Haushaltsausschuss des EU-Parlaments die Causa Babiš an diesem Montag. Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) wird sich dort zum Gutachten der EU-Kommission äußern. Die Enthüllungen bringen vor allem die Liberalen der Alde-Gruppe mit Fraktionschef Guy Verhofstadt in eine schwierige Lage, denn zu ihr gehört Babiš' Ano-Partei. Der Vorwurf an Politiker in Mitteleuropa, unrechtmäßig Subventionen an Angehörige oder Freunde vergeben zu haben, ist nicht neu: Die EU-Antikorruptionsbehörde Olaf ermittelt in mehreren Fällen gegen Ungarns Regierung. In der Slowakei geht Präsident Andrej Kiska davon aus, dass kriminelle Organisationen widerrechtlich Dutzende Millionen an Fördergelder erhielten.

© SZ vom 03.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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