Trumps Amtsende:Die Grenzen bleiben dicht

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"Nicht der richtige Zeitpunkt": Jennifer Psaki, Sprecherin des künftigen US-Präsidenten, kündigte an, dass Joe Biden die Aufhebung des Einreiseverbots rückgängig machen wird. (Foto: Charles Dharapak/AP)

Was hinter dem Streit um das Einreiseverbot für Europäer in die USA steckt.

Von Reymer Klüver

Es war eine ganze Reihe von Verordnungen, die Donald Trump am frühen Montagabend, keine 48 Stunden vor seinem Auszug aus dem Weißen Haus, unterzeichnete. Es ging um Drohnen, einen hochumstrittenen Denkmalpark für Helden der Nation in Washington, um die Befugnisse von Behördenleitern, die während seiner Präsidentschaft ernannt wurden und die er gerne weiterhin in Amt und Würden sähe. Lauter kleine politische Stinkbomben für die neue Regierung. Aber vor allem dieses eine Dekret hatte es in sich. Wenn man so will, war es ein veritabler politischer Sprengsatz.

Denn mit einem Federstrich wollte der Noch-Präsident die Verhältnisse an den US-Grenzen auch nach seiner Amtszeit regeln. Vorgeblich auf Anraten seines Gesundheitsministers hob Donald Trump - vom 26. Januar an - das Einreiseverbot für alle Europäer aus dem Schengen-Raum, für Briten, Iren und Brasilianer auf. Das hatte er Mitte März selbst angeordnet, da allerdings hatte sich das Virus längst auf beiden Seiten des Atlantiks verbreitet.

Am Montag nun erklärte Trump in Umkehrung seiner bisherigen Argumentation, dass die Aufhebung des Einreiseverbots der "beste Weg" sei, "um weiterhin Amerikaner vor Covid-19 zu schützen und gleichzeitig wieder sicheres Reisen zu ermöglichen". Und warum der 26. Januar? Hintergrund ist, dass von diesem Tag an bei allen internationalen Flügen in die USA vor der Abreise ohnehin der Nachweis eines negativen Corona-Tests vorgeschrieben ist. Erleichterungen für den Flugverkehr etwa aus China, wo die Pandemie gegenwärtig deutlich besser unter Kontrolle zu sein scheint als in Europa, lehnte Trump indes ab. Die Regierung in Peking habe sich nicht kooperativ gezeigt.

Nach wenigen Minuten kam bereits das Veto des neuen Präsidenten

Es dauerte buchstäblich nur Minuten, ehe Trumps Dekret im Namen des künftigen Präsidenten kassiert wurde. Joe Bidens Sprecherin Jennifer Psaki, die von Mittwoch an auch die Stimme des Weißen Hauses sein wird, kündigte umgehend an, dass die neue Regierung die Erlasse des scheidenden Präsidenten sofort wieder rückgängig machen würde. "Die Pandemie wird immer schlimmer, und überall in der Welt treten ansteckendere Virus-Varianten auf, da ist es nicht der richtige Zeitpunkt, Restriktionen im internationalen Reiseverkehr aufzuheben", twitterte Psaki. Auf "Anraten unseres medizinischen Teams", zu dem auch der Immunologe Anthony Fauci zählen dürfte, werde das Weiße Haus zunächst keinerlei Reiseerleichterungen zulassen, vielmehr werde es wohl noch weitergehende Einschränkungen geben.

Von Anfang an war also klar, dass dieses Dekret keinen Bestand haben wird. Warum also hat es der Präsident trotzdem unterzeichnet? Es gibt Gründe, wenn auch keine guten. Zum einen mag Last-Minute-Lobbyarbeit der amerikanischen Luftfahrtunternehmen eine Rolle gespielt haben. Natürlich leiden auch sie heftig unter dem Einbruch im internationalen Reiseverkehr. Erleichterungen gerade auf der einträglichen Transatlantik-Route und bei den Verbindungen mit der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas wären da hochwillkommen.

Zum Abschied dürfen Eingeladene trotz Corona bis zu fünf Begleitpersonen mitbringen

Zum anderen aber dürfte Trumps Dekret als Signal an seine Fangemeinde gedacht sein, die, wenn sie nicht die Gefahren des Virus ganz leugnet, diese zumindest gerne verharmlost oder ignoriert. Trump hat wiederholt deutlich gemacht, dass er Schutzmasken eigentlich für überflüssig hält. Veranstaltungen im Weißen Haus wurden in den vergangenen Monaten immer wieder zu Spreader-Events, weil sich niemand an Abstandsregeln hielt. Noch zu seinem Abschied an diesem Mittwoch dürfen geladene Gäste bis zu fünf Begleitpersonen mitbringen. Damit zeigt Trump mehr als deutlich, dass er die angekündigten massiven Anstrengungen der neuen Regierung im Kampf gegen die Pandemie als völlig entbehrlich ansieht.

Zum Dritten aber reiht sich das Dekret in eine Serie von Erlassen Trumps und seiner Hintersassen ein, die alle nur ein Ziel zu haben scheinen: der neuen Regierung den Start so schwer wie möglich zu machen. Denn jede Verordnung muss wieder aufgehoben werden (wenn das denn geht), das macht Arbeit, kostet Zeit und Energie, die auf anderes verwendet werden könnte. Zudem ist es leicht möglich, dass etwas übersehen oder durch Formfehler nichtig wird. Was ohne Zweifel eine Genugtuung für Trump und seine Freunde wäre.

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