Trends:Bart und Art

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Sagt ein Schnauzer etwas über den Charakter seines Trägers? Das fragen sich derzeit nicht nur Fans von Mats Hummels.

Von David Pfeifer

Der Fußballspieler Mats Hummels ist zu den letzten Spielen vor der Winterpause mit einem Schnauzer angetreten. Das war insofern bemerkenswert, als dass Hummels schon länger Bartträger ist, die untere Hälfte seiner Gesichtsbehaarung nun aber fehlt. So eine Typveränderung fällt Fußballfans auf, und es ist zu befürchten, dass jugendliche Verehrer von Hummels ihm nacheifern werden.

In einem Alter, in dem man sich noch mit dem Waschlappen rasieren kann, sind Frisurenexperimente ohnehin beliebt, ob auf dem Kopf oder im Gesicht. Die erste Frage, die sich dazu stellt, lautet also: Setzt Hummels einen Trend? Wird der Schnauzbart bald zum Undercut der Oberlippe? In der breiten Bevölkerung ist der Bart als solcher ja schon vor Jahren angekommen, oder auch zurückgekehrt. Denn es gab Zeiten, da gehörte der Bart zum Mann wie das Mieder zur Frau. Er verlieh den Männer Gravitas, gleich der Weste über dem Bauch und dem Hut auf dem Kopf. Mit dem einsetzenden Jugendkult in der westlichen Gesellschaft wurde zunehmend rasiert, bis in die in vielerlei Hinsicht spiegelglatten 1980er-Jahre. Es folgte der Drei-Tage-Bart, beispielsweise im Gesicht von Don Johnson, der in "Miami Vice" kunstvoll unrasiert auftrat und sich die Ärmel des rosafarbenen Jackets lässig bis zum Ellenbogen hochschob. Spätestens zu dieser Zeit verließ der Bart das Terrain der Imagepflege. Er wurde zur Akzentuierung genutzt und zwar mit einer ganzen Palette an Pflegeprodukten. Es gibt mittlerweile nicht nur Bartschere und Bartöl, sondern auch Bartkamm, Bartshampoo und Bartbalm. Das ist natürlich ein Geschäft. Bereits 2005 übernahm Procter & Gamble die Firma Gillette für 44 Milliarden Euro. Nur um mal die Größenordnung klarzumachen.

Der Kosmetikverband VKE verzeichnete im Jahr 2017 zwar einen sanften Rückgang der Umsätze im Männersegment um 0,7 Prozent, erwartet für 2019 aber weitere Steigerungen bei "Behandlungen und Barber Shops". Softe Männer in harten Jeans schnibbeln, zwirbeln und kämmen in solchen Shops an Herren herum, und die Preise erreichen das Niveau eines Damenfriseurs. Das kann man als Konsequenz aus der Entwicklung der Gleichberechtigung begreifen, denn während Frauen völlig zu Recht die Hälfte der guten Jobs und dasselbe Gehalt fordern, erobern sich Männer offenbar den Bereich der Selbstverschönerung.

Dabei ist der Schnauzbart im Gegensatz zum Vollbart ein Statement, ein quergelegtes Ausrufezeichen im Gesicht. Exzentriker wie Salvador Dali, Thomas Magnum, Freddie Mercury und Zorro trugen ihn, um ihre Exzentrik zu betonen. Leider steht er in der Beliebtheit bei Single-Frauen recht weit unten. Laut "Parship"-Umfrage führt immer noch der Drei-Tage-Bart die Attraktivitäts-Rankings an. Der von Hummels bis vor Kurzem getragene "Henriquatre" ist deutlich unbeliebter (fünf Prozent), unterboten aber noch vom Schnurr- oder Schnauzbart (drei Prozent). Hummels hat sich attraktivitätsmäßig also verschlechtert. Vielleicht auch das ein Zeichen von Gleichberechtigung: Der Mann trägt seinen Bart nicht mehr, um anderen zu gefallen, sondern nur noch für sich selber.

© SZ vom 24.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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