Trauer um Präsidenten:Polen nehmen Abschied von Kaczynski

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Während die Polen ihrem toten Präsidenten Kaczynski die letzte Ehre erweisen, hofft Ex-Präsident Walesa auf einen diplomatischen Frühling mit Moskau.

Um den Millionen trauernden Polen die Möglichkeit des Abschieds von ihrem Staatspräsidenten Lech Kaczynski zu geben, wird am heutigen Dienstag der Sarg mit seinen sterblichen Überresten öffentlich im Präsidentenpalast aufgebahrt. Außerdem kommen beide Kammern des Parlaments - Sejm und Senat - zu einer Trauersitzung zusammen, wie der Sprecher des Warschauer Präsidialamts, Jacek Sasin, am Montag weiter mitteilte.

Trauernde hätten bis auf weiteres Zugang zu dem geschlossenen Sarg. "Wir möchten, dass jeder Pole, der dem Präsidenten die Ehre erweisen will, kommen und vor den Sarg treten kann", sagte Sasin. Das Ehepaar Kaczynski solle gemeinsam beigesetzt werden.

Als Termin für die Trauerfeier sei der kommende Samstag ins Auge gefasst. Dabei solle es sich jedoch um einen Staatsakt für alle 96 Opfer des Unglücks handeln. Deshalb müssten zuvor alle Leichen der Absturzopfer wieder in Polen sein. An der Trauerfeier wollen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Horst Köhler teilnehmen.

Der Leichnam der Präsidentengattin wird am Dienstagvormittag in Warschau erwartet, da erst am Montag die Leiche in Moskau identifiziert werden konnte. Dagegen steht die Identifikation vieler anderer Toter noch aus, da wegen der schrecklichen Verstümmelung vielfach erst DNA-Analysen Klarheit bringen können.

Seit Samstag kommen bereits tausende Polen vor dem Präsidentenpalast in Warschau zusammen, um ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen. Sie legen Blumen nieder und zünden Kerzen an. Vor den ausliegenden Kondolenzbüchern bilden sich lange Schlangen. In Polen herrscht eine einwöchige Staatstrauer.

Der frühere polnische Staatspräsident Lech Walesa sieht in der Flugzeugkatastrophe von Smolensk die Chance für einen Neuanfang in den Beziehungen seines Landes zu Russland. "Ich hoffe von Herzen, dass diese Tragödie auf beiden Seiten zum Nachdenken führt und Vorbehalte abbauen hilft. Nur so besteht die Chance auf neue, bessere, engere Beziehungen zu unseren russischen Nachbarn", sagte Walesa der Bild-Zeitung. Von Deutschland erhoffe er sich angesichts der nationalen Tragödie "Verständnis und Einfühlungsvermögen für seine polnischen Nachbarn."

Zusammen mit dem Staatspräsidenten und seiner Ehefrau waren am vergangenen Samstagmorgen bei dem Absturz der Regierungsmaschine während des Landeanflugs auf Smolensk 94 weitere Menschen getötet worden. Neben führenden Politikern und Militärs auch hohe Staatsbeamte und Vertreter der Gesellschaft. Sie waren auf dem Weg zu einer Gedenkveranstaltung in Katyn, wo während des Zweiten Weltkriegs auf Befehl des sowjetischen Diktators Josef Stalin tausende polnische Offiziere ermordet worden waren.

Unterdessen reißen Spekulationen nicht ab, ob Kaczynski nicht vielleicht selbst die riskante Landung bei Nebel angeordnet hat. Eine Rücksprache zwischen Pilot und Staatschef sei in solchen Situationen durchaus üblich, hatte der frühere polnische Präsident Lech Walesa bereits am Wochenende bestätigt.

Der polnischen Generalstaatsanwaltschaft liegen nach eigenen Angaben derzeit keine Informationen vor, wonach auf die Piloten Druck ausgeübt worden sei, trotz schlechten Wetters die Landung zu versuchen.

In einigen internationalen Pressekommentaren wurde in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass Kaczynski während des Südkaukasuskrieges 2008 auf einem Flug nach Georgien seinen Piloten zum Landen zwingen wollte, obwohl Russland allen Flugzeugen befohlen hatte, die georgische Hauptstadt Tiflis zu meiden.

Der Pilot hatte am Samstag zum vierten Mal zur Landung in Smolensk angesetzt, als die Maschine abstürzte. Zuvor war er nach russischen Angaben von Fluglotsen auf die widrigen Verhältnisse aufmerksam gemacht und ihm geraten worden, einen Ausweichflughafen anzufliegen.

Die russische Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

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