Tragödie auf der Loveparade:Kommerz statt Sicherheit

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Die Veranstalter rechneten mit 500.000 Besuchern, das Gelände aber war nur für 250.000 zugelassen. Erich Rettinghaus, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft in NRW: "Wir haben schon vor einem Jahr gewarnt."

Florian Fuchs

Das Duisburger Partygelände für die Loveparade war offenbar nur für 250.000 Menschen zugelassen - obwohl Stadt und Veranstalter schon im Vorfeld mit 500.000 Besuchern rechneten. Das bestätigt Erich Rettinghaus, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Nordrhein-Westfalen, im Gespräch mit sueddeutsche.de.

Für 19 Menschen wurde das Gelände der Loveparade in Duisburg am Samstag zur Todesfalle. (Foto: AFP)

"Dazu muss sich jemand erklären,wie es zu einer Planung mit solch widersprüchlichen Zahlen kommen konnte", fordert Rettinghaus. Die Polizei habe schon vor einem Jahr gewarnt, dass das Gelände ungeeignet sei. "Aber man kann sich an zwei Fingern abzählen, dass Kommerz bei der Organisation eine Rolle gespielt hat."

Deshalb habe im Vorfeld der Party offenbar niemand auf die Sicherheitsbedenken von Polizei und Feuerwehr gehört. "Wir haben kritisiert, dass das Gelände zu klein ist und durch die Umzäunung in sich geschlossen. Aber wir sind nicht durchgedrungen."

Eine Veranstaltung wie die Loveparade könne man in Berlin organisieren, auf einer sechsspurigen Straße, auf der nach allen Seiten Fluchtwege offen seien. "Aber nicht auf einem Gelände wie in Duisburg." Bochum habe die Party vor einem Jahr ja auch nicht ohne Grund abgelehnt.

Rettinghaus ist entsetzt darüber, dass die Veranstalter offiziell nur mit 500.000 Besuchern rechneten: "Das kann niemand ernsthaft geglaubt haben. Beim letzten Mal in Dortmund waren es 1,6 Millionen." Auch dort sei das Fest schon problematisch gewesen.

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Das Sicherheitskonzept der Polizei für Duisburg sah laut Rettinghaus vor, die Veranstaltungsfläche aufzufächern, um die Menschenmassen zu entzerren. "Das ist ein bewährtes Mittel, das klappt immer, bei jedem Fußballspiel. Warum hat man dann ausgerechnet bei der Loveparade Abstriche gemacht?"

Auf Luftaufnahmen vom Veranstaltungsgelände könne man zwar sehen, dass in einigen Ecken der Fläche sogar noch Platz gewesen wäre. "Aber wenn man die Leute nur von Süden her durch einen Durchgang auf das Gelände lässt, dann ballt sich das da natürlich und Probleme entstehen."

Die Veranstalter hätten offensichtlich gehofft, dass sich die Besucher auf die Stadt verteilten. Für die Eventfläche sei ihr Konzept gewesen, den Besucherstrom durch große Schilder und Lautsprecher-Ansagen zu kanalisieren. "Aber wer hat sich denn so etwas einfallen lassen?", schimpft Rettinghaus. "Die Klientel auf einer Loveparade ist speziell, viele sind alkoholisiert - da dringt man doch mit so etwas nicht durch."

Die Loveparade sei "mit gutem Willen angedacht" gewesen, als Imageförderung für die Stadt Duisburg und Teil des Ruhr-2010-Kulturjahres. "Aber die Sicherheit darf dabei nicht auf Kosten des Kommerzes gehen", sagt Rettinghaus. "Wer auch immer Druck auf die politischen Entscheidungsträger ausgeübt hat: Das nächste Mal sollte man auf Polizei und Feuerwehr hören. Wir kennen uns schließlich mit solchen Veranstaltungen aus."

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