Tourismus:Die gute Laune und der Terror

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(Foto: u)

Zuletzt kamen wieder mehr Touristen ins Land. Nun könnten die Anschläge Besucher abschrecken.

Von Jochen Temsch

Anscheinend lassen sich Thailandtouristen ihre Urlaubslaune so schnell nicht vermiesen. Am Tag nach der Explosion vom Erawan-Schrein und Stunden nach der zweiten Bombe, die im Fluss Chao Phraya detonierte, halten sich im Internet jedenfalls geteilte Nachrichten zum Anschlag, aufmunternde Friedensbotschaften und sonnige Feriengrüße die Waage. Flashpackcitygirl twittert aus Bangkok, dass sie die Märkte der thailändischen Hauptstadt liebe. Und Mister Chang teilt mit: Er habe so viel Alkohol getrunken, dass er jetzt mal fotografieren müsse, wie er ausnahmsweise Kokoswasser schlürfe.

Hier Terror, da gute Laune - dieses Nebeneinander unterschiedlicher Wahrnehmungen passt gut zum vielschichtigen Bild von Bangkok. In dieser riesigen, unübersichtlichen Metropole leben mehr als acht Millionen Menschen. Moderne Hochhäuser, traditionelle Tempel und tägliches Verkehrschaos gehören dazu. Das Gefühl der Überforderung, das einen Besucher angesichts der Lebendigkeit dieser Stadt überfallen kann, hat der Regisseur Danny Boyle anschaulich in seinen Kinofilm "The Beach" gepackt. Darin taumelt Leonardo DiCaprio als amerikanischer Student wie im Fieber durch neonerleuchtete Straßen, rast im Tuk-Tuk umher, trinkt Schlangenblut - und erfährt schließlich von einer geheimen, einsamen Insel, zu der er sich dann aufmacht.

So ähnlich laufen auch in der Realität die meisten Thailand-Urlaube ab, auch wenn die vom Tourismus bis zum Äußersten erschlossenen Inseln kaum mehr Geheimnisse bergen. Bangkok ist ein klassisches Stopover-Ziel. Die Touristen landen in der Regel am Suvarnabhumi Airport, der mit mehr als 50 Millionen Passagieren jährlich zu den größten der Welt zählt. Sie bleiben einen Tag in Bangkok, vielleicht auch zwei oder drei, dann fliegen sie weiter an die Badestrände im Süden wie auf Koh Samui und Phuket oder brechen zu einer Rundreise in den Norden des Landes auf. Da sich der Großteil der Urlaube eben nicht in Bangkok abspielt, halten sich die ängstlichen Reaktionen von Reisenden dort bislang in Grenzen. Es gebe "keine Rückreisewünsche", heißt es etwa bei DER-Touristik, dem Marktführer für Thailand-Reisen in Deutschland. Zu dem Unternehmen zählen die Marken Dertour, Meier's Weltreisen, ADAC-Reisen, Jahn-Reisen und Travelix. Man habe derzeit eine "hohe dreistellige Zahl" an Gästen auf der Durchreise in Bangkok, sagt die Sprecherin des Unternehmens, Angela de Sando, darunter viele, die schon mehrmals in Thailand gewesen seien. "Sie können mit der Situation umgehen", sagt de Sando.

Die meisten Besucher stammen aus China und Russland

Andererseits räumt sie ein, dass es noch zu früh sei, die Reaktionen der Urlauber einzuschätzen. In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Streiks und gewalttätige Demonstrationen in Thailand. Diese hatten innenpolitische Ursachen und richteten sich nicht gegen Touristen. Die Urlaubsbuchungen gingen bei negativen Schlagzeilen jeweils nur für kurze Zeit zurück. Mit Direktflügen auf die Ferieninseln ließe sich Bangkok zur Not auch ganz umgehen. Nach dem Militärputsch vergangenes Jahr stabilisierte sich die Lage. Der Tourismus befand sich im Aufschwung. Das zuständige Ministerium rechnete für dieses Jahr mit 28 Millionen Touristen. Aus Deutschland reisten im vergangenen Jahr 630 000 Gäste an. Die meisten Urlauber kommen aus China und, seit der Wirtschaftskrise etwas weniger, aus Russland.

Sollte sich nun herausstellen, dass die Anschläge gezielt Urlauber trafen - wie das etwa im Jahr 2002 auf Bali oder im Juni dieses Jahres im tunesischen Sousse der Fall war - könnte dies der Branche durchaus einen herben Schlag versetzen. Satirapong Na Takuatung, Präsident der Phuket Tourism Association, und andere Geschäftsleute äußerten diese Sorge bereits in Interviews. Fakt ist, dass die Gegend rund um den Erawan-Schrein bei Touristen und Einheimischen zum Einkaufen und Ausgehen beliebt ist. Hier gibt es viele Shopping Malls, Hotels und Restaurants. Die Ratchaprasong-Kreuzung, an der das Heiligtum steht, ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Der Schrein ist dem Hindu-Gott Brahma geweiht und wurde 1956 während des Baus eines Hotels errichtet - zum Schutz der Arbeiter vor bösen Geistern. Seither pilgern Angehörige verschiedener Glaubensrichtungen hierher und bringen Opfergaben für Glück und Erfolg.

Das Auswärtige Amt in Berlin empfiehlt Thailand-Reisenden nun, besonders vorsichtig zu sein sowie Demonstrationen und Menschenansammlungen zu meiden. Auch jenseits des Stopovers, auf den Inseln, sei erhöhte Vorsicht geboten: "Weitere Anschläge auch in anderen beliebten Feriengebieten können nicht ausgeschlossen werden."

© SZ vom 19.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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