Tod von Mohammed al-Dura:Israel weist Schuld an Tod von Palästinenserjungen zurück

Lesezeit: 2 min

Wie starb der zwölfjährige Mohammed al-Dura wirklich? (Foto: AFP)

Ein Junge stirbt in den Armen seines Vaters - durch Schüsse aus israelischen Waffen. Die TV-Bilder des zwölfjährigen Mohammed al-Dura gingen um die Welt, wurden zum Symbol der zweiten Intifada. Doch was damals wirklich geschah, ist fraglich. In einem neuen Untersuchungsbericht weist Israel jede Schuld von sich.

Der Mann versucht noch, den Körper des Jungen mit seinem eigenen zu schützen, doch das Feuer der israelischen Streitkräfte dauert an. So lange, bis Mohammed al-Dura in den Armen seines Vater stirbt. Diese Geschichte erzählen Fernsehbilder des Senders France 2 im Jahr 2000, eine Geschichte, die zum Symbol der zweiten Intifada wurde. Und die vermutlich so nie passiert ist. Diesen Verdacht scheint ein aktueller israelischer Untersuchungsbericht zu bestätigen.

"Die Wahrheit ist das erste Opfer des Krieges": Dieses Diktum darf in keinem Bericht über Propaganda und Medienmanipulation in Konflikten fehlen. Oft vergehen Jahre, bis unter dieser Überschrift der tatsächliche Sachverhalt oder die Entstehungsgeschichte eines Fotos bekannt wird und so bisweilen die historische Wahrheit verschiebt. Möglicherweise ist das auch im Fall Mohammed so.

Der TV-Bericht sei "substanzlos", heißt es in einer am Sonntag veröffentlichten Analyse des Ministeriums für internationale Beziehungen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der den etwa 40-seitigen Bericht in Auftrag gegeben hatte, sprach von einem "Sieg der Wahrheit über die Lügen".

Die Untersuchung von bisher nicht veröffentlichtem Rohmaterial des TV-Berichts habe ergeben, dass Mohammed am Ende der Aufnahmen noch am Leben war, berichtete der israelische Rundfunk in der Nacht zum Montag. Es sei darauf zu sehen, wie er eine Hand erhebt und den Kopf dreht.

Ikone der Zweiten Intifada

Die Aufnahmen des Jungen aus dem Gazastreifen vom 30. September 2000 hatten weltweite Aufmerksamkeit erregt und spielten eine wichtige Rolle beim medialen Schlagabtausch zwischen den Palästinensern und Israelis zu Beginn der Zweiten Intifada.

In dem neuen Bericht ist von "zahlreichen Hinweisen" die Rede, dass weder der Junge noch sein Vater Dschamal überhaupt von Kugeln getroffen worden seien. Ballistischen Untersuchungen zufolge sei es auch "extrem zweifelhaft", dass Einschusslöcher in der gefilmten Umgebung von israelischen Soldaten verursacht wurden. "Dies ist ein Beleg für die anhaltende, lügnerische Kampagne zur Delegitimierung Israels", erklärte Netanjahu. Der Ruf seines Landes sei durch die Reportage zu unrecht beschädigt worden.

Nach Darstellung des für den Fernsehbericht verantwortlichen France-2-Korrespondenten Charles Enderlin war Mohammed al-Dura bei einem Schusswechsel zwischen israelischen Soldaten und palästinensischen Kämpfern verletzt worden. Laut dem Ministerium für internationale Beziehungen hat France 2 zudem Filmszenen herausgeschnitten, auf denen der Zwölfjährige lebend zu sehen sei.

Israel hatte die Umstände des Vorfalls schon häufig infrage gestellt. Auch Medienjournalisten nahmen sich der Bilder an; 2008 zum Beispiel musste sich Enderlin deswegen vor einem französischen Gericht verantworten, ein Jahr darauf äußerte ein ARD-Film ebenfalls erhebliche Zweifel.

Enderlin sagte jetzt der Nachrichtenagentur AFP, er sei jederzeit bereit zu einer unabhängigen öffentlichen Überprüfung des Falls nach internationalen Standards. Auch Dschamal al-Dura sprach sich für eine solche Lösung aus. Er unterstellt den israelischen Behörden, ihrerseits die Wahrheit zu verzerren.

Ob ein weiterer Bericht die tatsächlichen Umstände ans Licht bringen könnte, bleibt abzuwarten.

© Süddeutsche.de/dpa/AFP/leja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: