Tierwohl:Respekt vor dem Küken

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Darüber könnten sich Umweltschützer "doch auch mal freuen": Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner will das Töten männlicher Küken verbieten. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

45 Millionen Küken werden jedes Jahr getötet, weil sie von der Industrie nicht gebraucht werden. Ein Gesetz soll nun das gezielte Töten der männlichen Brut verbieten.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Julia Klöckner hält eine Pappe in die Höhe, für eine Sekunde sieht sie aus wie eine Tierschutz-Aktivistin: "Kükentöten beenden!" steht darauf. Echte Aktivistinnen haben solche Schilder schon vor längerer Zeit gebastelt, aber ab sofort ist das auch das Programm der CDU-Agrarministerin. Ende 2021 soll Schluss sein mit der gezielten Aussonderung männlicher Küken. Ein entsprechendes Gesetz hat Klöckner am Mittwoch vorgelegt.

In der Geflügelwirtschaft gibt es die Praxis schon lange. Weil Hähne keine Eier legen, sind sie für die Industrie nutzlos, auch als Masthähnchen taugen aufs Eierlegen getrimmte Rassen nicht. Nach Zahlen des Landwirtschaftsministeriums wurden so im vorigen Jahr mehr als 45 Millionen Küken getötet, überwiegend durch Gas. Im vorigen Jahr hatte das Bundesverwaltungsgericht das Kükentöten nur noch übergangsweise erlaubt. Der Tierschutz sei lange geringer gewichtet worden, befanden die Leipziger Richter seinerzeit, deshalb sei diese Praxis "jahrzehntelang hingenommen" worden. Technische Alternativen seien aber mittlerweile greifbar nahe.

Das sieht Klöckner auch so. Entscheidend sei, dass den Brütereien mittlerweile ein markt- und serienreifes Verfahren zur Bestimmung des Geschlechts zur Verfügung stehe, auch dank üppiger Forschungsförderung. Damit lassen sich bebrütete Eier etwa per Laser anbohren, Flüssigkeitsproben aus deren Inneren erlauben Rückschlüsse auf das Geschlecht. Die Eier lassen sich so aussondern, noch ehe ein männliches Küken schlüpft.

Möglich ist dies allerdings erst neun bis 14 Tage, nachdem das Ei gelegt und bebrütet wurde - und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem selbst der Embryo schon Schmerzen erleiden kann; ganz genau weiß man das nicht. Ab 2024 soll es deshalb schon ab dem sechsten Bruttag verboten sein, Küken zu töten. Ein Test müsste also vorher erfolgen. Technisch sei auch dies möglich.

Allerdings gibt es auch ganz andere Möglichkeiten: Die Küken schlüpfen lassen und auch die männlichen Küken aufziehen und mästen. Das Fleisch dieser sogenannten "Bruderhähne" wird später verkauft. Dem gleichen Prinzip folgt der Ansatz des "Zweinutzungshuhns". Eine solche Rasse könnte sowohl die Aufzucht von Legehennen als auch von Masthähnen erlauben. Allerdings legen Hennen hier häufig weniger Eier, und die Hähne setzen weniger Fleisch an. Wirtschaftlich ist das für viele Betriebe deshalb bislang nicht attraktiv.

Ohnehin soll das Verbot nun den Beweis erbringen, dass mehr Tierschutz in der Geflügelwirtschaft nicht gleichbedeutend ist mit der Abwanderung von Hühnerfarmen. Andernfalls wäre das "was fürs Schaufenster", sagt Klöckner. Deshalb dürften im Handel nun nicht deutsche durch importierte Eier ersetzt werden, und für verarbeitete Eier, wie sie vom Keks bis zur Nudel in Tausenden Produkten stecken, sei auch eine Art "Positiv-Kennzeichnung" denkbar.

Ohnehin schwebt Klöckner ein Dominoeffekt in anderen EU-Ländern vor. "Wir werden auch ein europaweites Verbot bekommen, aber wir gehen voran", sagt sie. Weltweit sei Deutschland das erste Land, das mit dem Kükentöten Schluss macht. Und darüber, findet Klöckner, könnten sich Umweltschützer "doch auch mal freuen".

© SZ vom 10.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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