Thüringen:Irre oder nicht irre

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Fast alles offen im Thüringer Landtag: Mike Mohring hat zwar den Posten als CDU-Fraktionschef sicher, wer aber mit wem regiert, ist weiterhin ungeklärt. Mohring schließt jedenfalls eine Zusammenarbeit mit Linker und AfD aus. (Foto: Jacob Schröter/imago)

Mike Mohring wird mit nur mäßiger Zustimmung CDU-Fraktionschef - und die bisherige Regierung sondiert die Lage auch ohne Mehrheit.

Von Cornelius Pollmer, Leipzig

Die Debatten um seinen politischen Kurs kann Mike Mohring jetzt auch an Zahlen ablesen, sie lauten 14 und 21. Am Mittwoch ist der Landesvorsitzende Mohring als Chef der CDU-Fraktion wiedergewählt worden, 14 der 21 Mitglieder und damit nur zwei Drittel stimmten für ihn. Nach der Landtagswahl 2014 war Mohring noch einstimmig gewählt worden.

In dem Wahlergebnis spiegelt sich mindestens die Unruhe wider, welche die CDU in Erfurt, aber auch in der Bundesspitze erfasst hat in der Frage, ob es nach dem engen Wahlausgang in Thüringen in welcher Weise auch immer eine Zusammenarbeit mit der AfD geben könne. Der Thüringer Landesvorsitzende der AfD, Björn Höcke, bot am Mittwoch der CDU demonstrativ eine solche Kooperation an. In einem Schreiben an die Landesvorsitzenden von CDU und FDP schlug Höcke vor, "gemeinsam über neue Formen der Zusammenarbeit ins Gespräch zu kommen". Konkret zog Höcke die Tolerierung einer CDU-FDP-Minderheitsregierung durch seine Fraktion vor sowie eine "von unseren Parteien gemeinsam getragene Expertenregierung".

Nach seiner Wiederwahl lehnte Mohring dieses Angebot ab. Die CDU strebe weder eine Koalition mit der Linken oder der AfD an, noch eine andere Form der Zusammenarbeit mit den beiden Parteien. Auch eine "Grauzone dazwischen" werde es nicht geben, sagte Mohring.

In sehr deutlichen Worten schloss auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak ebenfalls am Mittwoch erneut jegliche Zusammenarbeit mit der AfD aus. "Höcke ist für mich ein Nazi und die AfD mit ihm auf dem Weg zur NPD 2.0", schrieb Ziemiak in einem Gastbeitrag für den Spiegel. Für ihn sei klar, dass es im Verhältnis zwischen seiner Partei und der AfD "nur klare Kante und schärfste Abgrenzung geben kann".

Genau diese scharfe Kante war von Beobachtern wie Vertretern der CDU selbst zuletzt vermisst worden. 17 Mitglieder der Partei, darunter ein Abgeordneter des Landtags, hatten zuletzt in einem Appell "ergebnisoffene Gespräche" auch mit Linker und AfD eingefordert. Wenngleich das Papier auch den Satz enthalten hatte, dass Koalitionen mit diesen beiden Parteien "unmöglich" seien, war der Aufruf vor allem als Wunsch einer Öffnung der CDU nach rechts verstanden worden.

Die Linke denkt an neue Formen der Zusammenarbeit zwischen allen Parteien außer der AfD

Bis zu seiner Wiederwahl als Fraktionsvorsitzender hatte Mohring nicht öffentlich auf das Schreiben reagiert. Möglicherweise, weil er vor genau dieser Wahl keine Konflikte in der Partei hatte suchen wollen und möglicherweise auch, weil Mohring nicht jeden Tag neu seine Position zur AfD erläutern möchte. Am Mittwoch sagte er, die Mitglieder seiner Partei hätten das Recht, ihre Meinung zu äußern. Niemand sei deshalb irre, gegen eine solche respektlose Äußerung verwahre er sich, sagte Mohring und nahm damit Bezug auf Ziemiak, der die Forderung der 17 als genau das bezeichnet hatte: irre. Die Landeschefin der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, kritisierte das Agieren Mohrings der vergangenen Tage. Sein Kalkül sei derzeit überhaupt nicht erkennbar, "und mit einer führungslosen CDU auch nur zu reden, gestaltet sich schon schwierig".

Die Linke selbst befindet sich gerade in Gesprächen mit den bisherigen Regierungspartnern SPD und Grüne. Dieses Bündnis hat im neuen Thüringer Landtag wie alle anderen denklogischen Verbindungen auch keine eigene Mehrheit. Der Überlegung von Mohring, die CDU könne mit FDP, SPD und Grünen an Linker und AfD vorbei ein "Bündnis der Mitte" bilden, gibt Hennig-Wellsow keine Chance. Davon abgesehen, dass auch ein solches Viererbündnis keine Mehrheit im Landtag hätte, sagte sie: "Unsere beiden Partner werden explizit nicht von der Fahne gehen, das ist aus meiner Sicht glasklar so."

Hennig-Wellsow kann sich allerdings neue Formen der Zusammenarbeit zwischen allen gewählten Parteien außer der AfD vorstellen. Denkbar sei etwa, "dass diese Parteien eine Art Zukunftsvertrag für Thüringen abschließen, das könnte ein Hebel für eine inhaltliche Zusammenarbeit sein".

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Dirk Adams, regte an, sich von der reinen Fokussierung auf Mehrheiten zu verabschieden. Ähnlich wie bei der Bildung der ersten von der Linkspartei geführten Regierung vor fünf Jahren, gelte es in Thüringen jetzt abermals, Neuland zu betreten. Die Zeit, "in der Koalitionsverhandlungen vor allem Phasen des Machtausübens waren", sei vorbei. Für die Grünen sei es Zeit für "eine Politik der offenen Tür, des weißen Blattes, der offenen Konstellation".

Ein Zusammengehen der Grünen mit CDU, SPD und FDP sieht Adams ebenfalls sehr kritisch. Auch weil seine Partei sich in keinem Fall von Stimmen der AfD abhängig machen werde.

© SZ vom 07.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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