Thüringen: Althaus-Nachfolge:Die Nachlassverwalterinnen

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Die Thüringer CDU trifft sich heute in Erfurt mit der SPD zu ersten Gesprächen über eine Regierungsbildung. Nach Althaus' Rücktritt sollen Birgit Diezel und Christine Lieberknecht die Partei aus der Krise führen.

Christiane Kohl

Birgit Diezel, 51, trug ein roséfarbenes Jackett und fuhr im Aufzug nach oben. Derweil eilte Christine Lieberknecht, 51, im knallroten Blazer, behende die Granitstufen in dem etwas kahl wirkenden Treppenhaus der Erfurter CDU-Geschäftsstelle hinauf.

Die beiden sollen es jetzt richten für die CDU: Sozialministerin Christine Lieberknecht (links) und Vize-Ministerpräsidentin Birgit Diezel. (Foto: Foto: AP)

Als sich die beiden Thüringer Christdemokratinnen am Freitagnachmittag dann vor dem Eingang zum Sitzungssaal in die Arme fielen, taten sie dies jedoch nicht nur für die Fotografen: Die Politikerinnen gelten als Schlüsselfiguren in der Frage, wer die Nachfolge des zurückgetretenen Thüringer Ministerpräsidenten und CDU-Landesvorsitzenden Dieter Althaus antreten könnte - und das wissen sie auch.

Zwar lehnen die beiden Christdemokratinnen derzeit jede Stellungnahme zu Personalfragen ab. "Jetzt geht es zuvorderst um das Land", meint etwa Birgit Diezel und Christine Lieberknecht erklärt, vor allem anderen "müssen wir uns in inhaltlichen Fragen gut auf die Gespräche mit der SPD vorbereiten". Dennoch wird in Erfurt natürlich schon viel darüber spekuliert, wer das Zeug haben könnte, die Thüringer Union aus der Krise zu führen.

Und da werden zwar auch Namen von männlichen Politikerkollegen gehandelt, wie etwa der des derzeitigen CDU-Fraktionschefs im Landtag, Mike Mohring, 37, oder auch der des Chefs der Staatskanzlei, Klaus Zeh, 56. An den Damen Diezel und Lieberknecht kommt jedoch niemand vorbei, wie sich bereits in der ersten Vorstandssitzung der Union am Tag eins nach der Ära Althaus zeigte.

"Lieberknecht statt Althaus"

Da übernahm die amtierende Finanzministerin Diezel wie selbstverständlich die Gesprächsleitung: Als stellvertretende CDU-Landesvorsitzende und Vize-Ministerpräsidentin kommt der gelernten Buchhalterin in diesen Tagen automatisch die Führung zu.

Indes war Lieberknecht schon am Vortag eilends nachgemeldet worden in den Club jener CDU-Politiker, die an diesem Samstag die Sondierungsgespräche für Koalitionsverhandlungen mit der SPD führen sollen - "Lieberknecht statt Althaus", hieß es prompt in einigen Meldungen.

Die Sozialministerin, die einst Pfarrerin war, wiegelte ab, doch auch in den regionalen Zeitungen wird sie immer wieder als zukunftsträchtigste Kandidatin für die Nachfolge von Althaus genannt - sei es in der Partei oder im Regierungsamt.

Der Vorsitzende der Thüringer CDU-Mittelstandsvereinigung, Ralf Bornkessel, schlug Lieberknecht offen als geeignetste Nachfolgerin vor. Freilich ist es angesichts der etwas unübersichtlichen Lage in der Thüringer Union derzeit nicht ungefährlich, allzu früh ins Gespräch gebracht zu werden. Entsprechend bedeckt hält sich auch Diezel, die schon in der Zeit nach Althaus' Skiunfall die Geschäfte in der Regierung wie in der Partei geführt hatte.

Schweres Erbe

"Es war eine Prüfung und vielleicht auch eine Probe für diese Zeit jetzt", meinte sie am Abend nach Althaus' Rücktritt etwas unbeholfen in einer ersten Pressekonferenz. Und es wehte ein Hauch von Beerdigungsatmosphäre durch den Raum, als Diezel neben Mohring unter einem älteren Foto saß, das Althaus noch als Siegertypen zeigte: "Wir haben nach dem Unfall zusammengestanden", meinte die Ministerin, "wir werden es auch jetzt tun."

Doch Althaus hinterlässt ein schwieriges Erbe: Alles war auf ihn persönlich zugeschnitten, mancher seiner Mitstreiter schien eher nach Kriterien der Loyalität als der Qualität ausgesucht worden zu sein. Um in dieser Situation wieder eigene Stärke zu gewinnen, müssen sich die Thüringer Christdemokraten völlig neu aufstellen. Und dabei könnten eben jene Qualitäten gefragt sein, die Diezel und Lieberknecht mitbringen.

Die Buchhalterin Diezel gilt als verlässliche Statthalterin, die organisieren und verwalten kann - nach der Wende leitete sie zunächst eine Amtsstelle für offene Vermögensfragen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Helmut Kohl bereits die Pfarrerin Lieberknecht als politisches Talent entdeckt und sie in den CDU-Bundesvorstand geholt.

Nun könnten sie womöglich gemeinsam das Erbe von Althaus antreten, falls zu einer Koalition mit der SPD in Thüringen kommt. Der einstige Regierungschef Bernhard Vogel jedenfalls hat schon angeregt, dass man das Partei- und das Regierungsamt ja trennen könnte.

© SZ vom 5.9.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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