Terrorverdächtiger al-Bakr:"Die alleinige Verantwortung für diese Fehler liegt beim Freistaat Sachsen"

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  • Der Innen- und der Rechtsausschuss des Bundestages haben sich heute mit dem Suizid des terrorverdächtigen al-Bakr in der JVA Leipzig und mit seiner missglückten Festnahme beschäftigt.
  • Innenpolitik-Experten der SPD sehen die alleinige Schuld bei den sächsischen Behörden.
  • Der Obmann der Unionsfraktion sagt, der Generalbundesanwalt hätte schon vor dem 9. Oktober die besondere Bedeutung des Falls al-Bakr sehen müssen.

"Was wir heute aus Sachsen gehört haben, hat für mich mit professionellem Handeln überhaupt nichts zu tun." Es sind äußerst kritische Worte, die SPD-Innenexperte Uli Grötsch am Rande der Sitzung des Innenausschusses des Bundestags zum Fall Dschaber al-Bakr findet. "Fehlverhalten zu übertünchen und mit leeren Worthülsen zu füllen, wird nicht dazu führen, dass sich dort etwas ändert."

Sowohl der Innenausschuss als auch der Rechtsausschuss des Bundestages haben sich heute mit der missglückten Festnahme des terrorverdächtigen Syrers Dschaber al-Bakr und mit seinem Suizid in der Justizvollzugsanstalt Leipzig beschäftigt. Dazu haben die Abgeordneten Vertreter der sächsischen Behörden wie den Leiter der JVA Leipzig, aber auch Generalbundesanwalt Peter Frank und Vertreter des Bundesverfassungsschutzes eingeladen.

Die Arbeit des Verfassungsschutzes und des Bundeskriminalamtes bezeichnete Grötsch als einwandfrei und sehr professionell. Auch Generalbundesanwalt Peter Frank nahm er gegen Kritik in Schutz. Dieser habe im Ausschuss "sehr ausführlich und detailliert und für alle nachvollziehbar" sein Handeln dargelegt. "Die Verantwortung für den Tod von Dschaber al-Bakr liegt bei der Justiz in Sachsen", sagte Grötsch. "Die alleinige Verantwortung für diese Fehler und Pannen liegt im Freistaat Sachsen", pflichtete ihm Partei-Kollege Burkhard Lischka bei, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.

Der 22-jährige al-Bakr hatte sich vergangenen Mittwoch zwei Tage nach seiner Festnahme selbst getötet. Bevor er sich das Leben nahm, war sein Zustand von der Justizvollzugsanstalt als nicht akut suizidgefährdet eingestuft worden. Bereits bei seiner Festnahme gab es Pannen. Der als Flüchtling registrierte Syrer war in den Verdacht geraten, einen Anschlag auf einen Berliner Flughafen zu planen. In seiner Wohnung fanden Sicherheitsbeamte erhebliche Mengen Sprengstoff. Nach einem missglückten Zugriff der Polizei in Chemnitz floh al-Bakr trotz Großfahndung bis nach Leipzig. Dort wurde er von Landsleuten überwältigt und der Polizei übergeben.

Seit dem Tod des Syrers gibt es heftige Kritik an Landes-, aber auch an Bundesbehörden. So kam etwa die Frage auf, wieso ein mutmaßlich gefährlicher Terrorverdächtiger nicht sofort Sache des Generalbundesanwalts und des Bundeskriminalamts geworden sei.

Bereits vor den Sitzungen hatte sich der Vorsitzende des Innausschusses, Ansgar Heveling (CDU), für eine Überprüfung des Terrorismusstrafrechts und des Verfahrensrechts ausgesprochen. Heveling zufolge sollten die Nachrichtendienste einen automatisierten Zugriff auf die Daten von Flüchtlingen bekommen. Bisher seien die deutschen Behörden an vielen Stellen auf Hinweise auf dem Ausland angewiesen.

Im Bereich islamistischer Terrorismus müssten die nachrichtendienstlichen Kompetenzen wieder gestärkt werden, sodass die Nachrichtendienste direkt auf Informationsquellen und Datenbanken zugreifen können. Forderungen nach einem zentralen deutschen Gefängnis für mutmaßliche Terroristen hat Bundesjustizminister Heiko Maas bereits zurückgewiesen.

Der Fall al-Bakr
:Kein Stammheim für Islamisten

Heiko Maas lehnt es ab, Terroristen in einem zentralen Bundesgefängnis zu inhaftieren. Er weist zudem Vorwürfe zurück, der Generalbundsanwalt habe den Fall al-Bakr zu spät übernommen.

Von Cornelius Pollmer und Robert Roßmann

Union verteidigt sächsische Behörden

Der Obmann der Unionsfraktion im Ausschuss, Armin Schuster, bemerkte, der Generalbundesanwalt hätte schon vor dem 9. Oktober die besondere Bedeutung des Falls al-Bakr sehen müssen. "Es war schon absehbar, dass es sich um einen Anschlag mit einer Sprengstoffweste handeln könnte." Schuster betonte, die sächsischen Behörden seien erst sehr kurzfristig über al-Bakr informiert worden. Den anschließenden Polizeieinsatz beschrieb er "bei genauer Betrachtung als nicht einfach, aber mit Fehlern". Die habe Sachsen auch eingeräumt und nun eine kompromisslose Aufarbeitung angekündigt. Schuster betonte: "Es hat einen kapitalen Anschlagsversuch nicht gegeben, weil insbesondere Verfassungsschutz und die Polizei das verhindern konnten.

"Die Grünen-Obfrau im Ausschuss, Irene Mihalic, kritisierte: Erst überschlage sich die CDU/CSU-Fraktion mit Forderungen nach schärferen Sicherheitsgesetzen, und nun nach der Ausschusssitzung sage sie, es sei alles super gelaufen. "So kann man meiner Ansicht nach keine seriöse Innenpolitik machen."

Der stellvertretende Ausschussvorsitzende, der Linken-Politiker Frank Tempel, warnte vor einer Generalkritik an Behörden und Polizei. Er betonte, die sächsischen Behörden hätten eine kritische Analyse versprochen.

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