Terrormiliz:Luftbrücke nach Syrien

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Die Kinder lebten bisher im Internierungslager Al-Haul in Nordsyrien. (Foto: Delil Souleiman/AFP)

Die Bundesregierung holt erstmals Kinder deutscher IS-Kämpfer aus dem Kriegsgebiet zurück. Darunter sind drei Waisenkinder.

Von Georg Mascolo und Ronen Steinke, Berlin

Zum ersten Mal hat die Bundesregierung humanitären Forderungen nachgegeben, Familienmitglieder von Terroristen der Miliz "Islamischer Staat" (IS) aus syrischer Haft zurück nach Deutschland zu holen. Vier kleine Kinder sind deshalb am Montagmittag an einem Grenzübergang zwischen Syrien und dem Irak in Empfang genommen worden, eine Delegation deutscher Konsularbeamter stand bereit. Bisher lebten die Kinder im Internierungslager Al-Haul in Nordsyrien. Es handelt sich um drei Waisenkinder, deren deutsche Eltern sich dem IS in Syrien angeschlossen hatten, und ein schwer krankes, im Kriegsgebiet geborenes Mädchen, zehn Monate alt, mit einem Wasserkopf. Erst vor wenigen Tagen hatte die Mutter des Mädchens sich direkt an Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) gewandt, sie "erwarte" Hilfe, sagte sie in einer Audiobotschaft, die Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR vorliegt. Nachdem das Mädchen notdürftig operiert wurde, hat es eine Sepsis erlitten. "Sie lächelt nicht mehr, sie guckt mich nicht mehr bewusst an", sagte die Mutter. Die Kinder sollen nun zunächst in die nordirakische Stadt Erbil gebracht und dann, sobald medizinisch möglich, nach Deutschland ausgeflogen werden. "Wir werden uns dafür einsetzen, dass auch weitere Kinder Syrien verlassen können", sagte Maas am Montag in Berlin.

Die Entscheidung war erst nach monatelangen Diskussionen getroffen worden, innerhalb der Bundesregierung ging es hin und her über die Frage, wie man mit dem Problem der deutschen IS-Kämpfer und ihrer Familien umgehen soll. Trotz erheblichen Drucks der USA und der Kurden will Berlin keinesfalls alle zurückholen. In Washington wächst die Wut darüber, gerade erst drohte US-Präsident Donald Trump erneut, man würde die europäischen Kämpfer womöglich freilassen. Nathan Sales, im US-Außenministerium zuständig für die Bekämpfung des Terrorismus, höhnt: "Kosovo und Kasachstan sind besser darin, ihre Leute vor Gericht zu stellen, als reiche Demokratien des Westens."

An ihrer abwehrenden Haltung will die Bundesregierung festhalten - jedenfalls gegenüber Erwachsenen. Juristisch gelte natürlich für alle Deutschen das Recht auf Rückkehr. Aber eine Verpflichtung, sie aktiv zurückzuholen, gebe es nicht. In den inzwischen zahlreichen Gerichtsprozessen - auch im aktuellen Fall der Kinder hatte der Hannoveraner Rechtsanwalt Dirk Schoenian vor dem Verwaltungsgericht Berlin geklagt - argumentiert die Regierung: Man befinde sich "in Übereinstimmung" mit den meisten EU-Staaten. Es würde "gewichtige außenpolitische Belange" beeinträchtigen, IS-Kämpfer zurückzuholen, auch weil sie "dann auch Gefahren für die Nachbarländer darstellen" könnten. Die Kinder sind eine Ausnahme. Sie sind selbst Opfer. Auch aus den Sicherheitsbehörden kamen Warnungen, je länger die deutschen Kinder sich in den Internierungslagern befänden, umso größer sei die Gefahr ihrer Radikalisierung. Es sei besser, sie jetzt zu holen. So argumentieren auch die Kurden. "Das wird die nächste Generation von Terroristen, die uns allen gefährlich werden", sagt ein hochrangiger kurdischer Offizieller.

Frankreich, Schweden, Belgien und eine Reihe anderer Staaten haben deshalb bereits vor Monaten damit begonnen, Kinder herauszuholen.

Meist sind es Waisen.

© SZ vom 20.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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