Terrorismus:Tatwaffe Küchenmesser

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Bundespolizisten gehen durch den Hauptbahnhof in Hannover. Hier wurde im Februar ein Polizist niedergestochen. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Die Bundesanwaltschaft klagt die 16-jährige Deutsch-Marokkanerin Safia S. an. Sie soll im Auftrag der Terrormiliz IS einen Polizisten schwer verletzt haben.

Von Ronen Steinke, München

Die Ermittlungspannen in diesem Fall türmen sich nach einem halben Jahr zu einer Serie auf, die einen Untersuchungsausschuss des niedersächsischen Landtages beschäftigt. Nun hat die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ihre Einschätzung vorgelegt: Sie klagt die inzwischen 16-jährige Deutsch-Marokkanerin Safia S. an, die am 26. Februar im Auftrag der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Hauptbahnhof von Hannover einen Bundespolizisten mit einem Küchenmesser in den Hals gestochen haben soll. Die Anklage beim Oberlandesgericht in Celle lautet auf versuchten Mord, gefährliche Körperverletzung und Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung.

Zugleich wurde auch der 19-jährige Deutsch-Syrer Mohamad Hassan K. angeklagt. Er soll von den Plänen gewusst und sie den Behörden verschwiegen haben. Bei dem 19-Jährigen handelt es sich um denselben Hannoveraner Schüler, gegen den die Polizei auch wegen das abgesagten Fußball-Länderspiels in Hannover am 17. November 2015 ermittelt, dem eine offenbar falsche Terrorwarnung vorausgegangen war. Er soll gelegentlich als Ordner in dem Stadion gearbeitet haben.

Der Bundesanwaltschaft zufolge hatte sich Safia S. bereits zu jener Zeit im November radikalisiert und beschlossen, sich dem IS anzuschließen. Im Januar sei sie nach Istanbul gereist und habe Kontakt mit dem IS aufgenommen. Kurz vor ihrer Weiterreise nach Syrien habe ihre Mutter sie zurück nach Deutschland geholt. Noch in Istanbul habe Safia S. aber von Mitgliedern der Miliz den Auftrag erhalten, in Deutschland einen Anschlag zu verüben.

Nach ihrer Rückkehr stand sie demnach weiter mit IS-Leuten über einen Messenger-Dienst in Kontakt. "Am Vortag der Tat verschickte sie ein selbst gefertigtes Bekennervideo und besprach mit einem IS-Mitglied die Vorgehensweise bei der Tatbegehung", so die Bundesanwaltschaft. Recherchen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR weisen darauf hin, dass die Polizei das zu dieser Zeit bereits beschlagnahmte Handy von Safia S. nicht auswertete. Hätte sie dies getan, hätte sie Hinweise auf den Anschlag entdeckt.

Am Tag darauf sei Safia S. mit zwei Messern zum Bahnhof gefahren und habe nach "einem aussichtsreich erscheinenden Opfer" gesucht, heißt es nun in der Anklageschrift. Dann habe sie zwei auf Streife gehende Beamte zu einer Personenkontrolle provoziert und einen der beiden oberhalb der Schutzweste am Hals verletzt.

Es ist eine von zuletzt mehreren islamistisch motivierten Gewalttaten, bei denen die Täter sehr jung waren. Safia S. war 15, die beiden mutmaßlichen Bombenleger am Sikh-Tempel in Essen waren 16, der Axt-Attentäter in der Nähe von Würzburg 17. Weshalb Verfassungsschutzämter darauf dringen, Jugendliche stärker in den Blick nehmen zu dürfen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die dafür nötige Gesetzesänderung, mit der die Hürden für eine Beobachtung von 14- bis 16-Jährigen abgesenkt werden, bereits im Zuge des letzten Anti-Terror-Pakets im Juni bekommen. In vielen Ländern sind ähnliche Änderungen auf dem Weg. Aktuell befasst sich etwa der Landtag von Nordrhein-Westfalen damit. Von den ins Ausland ausgereisten 238 Salafisten seien elf minderjährig gewesen, teilte nun dort der Leiter des Landesamts für Verfassungsschutz mit.

© SZ vom 30.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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