Telekommunikation:Wer spricht?

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Warum die Telefonzelle in Australien ihr Comeback feiert.

Von Thomas Hahn, Tokio

Dem allgemeinen Telefonzellen-Pessimismus kann Andy Penn jetzt eine erste Bilanz entgegenhalten. Zehn Tage ist es her, dass der Geschäftsführer der größten australischen Telekommunikationsfirma, Telstra, verkündete, von allen 15 000 öffentlichen Fernsprechern der Nation könne man fortan umsonst ins Inland telefonieren. Als "wichtigen Moment" bezeichnete er die Entscheidung und lobte öffentliche Telefone als "Rettungsleine für Tausende von schutzbedürftigen Australiern". Diese Woche konnte er bekannt geben, wie der kostenlose Service angenommen wird: "Die Nutzung hat sich schon verdoppelt!", twitterte Penn. Das alte Bezahltelefon hat ein Comeback.

Die Nachricht bricht mit dem Geist dieser Zeit, in der man ja schon nicht mehr nur telefoniert, sondern sich jederzeit und überall zu Video-Chats zusammenfunkt. Die Telefonzelle ist das Denkmal einer ganz anderen Vorstellung von Mobilität. Bevor sich in den Neunzigerjahren das Handy durchsetzte, fühlte man sich unterwegs eigentlich schon ganz gut vernetzt, wenn irgendwo am Straßenrand ein Häuschen stand. Das Smartphone hat die Ansprüche verändert. Heute handeln die Nachrichten zum Thema Münzfernsprecher meistens vom Verschwinden.

In Japan zum Beispiel legte im April eine Expertenkommission des Ministeriums für Interne Angelegenheiten einen Bericht vor, der eine Wende in der Telefonzellen-Politik des Inselstaats beschrieb. Die Grundversorgung mit Bezahlfernsprechern sei demnach mit viel weniger Geräten möglich. 109 000 müssen Japans Telefongesellschaften derzeit noch unterhalten. 27 000 reichen, findet das Gremium.

Innovativ oder ein Relikt von gestern?

In Australien gab es vor 20 Jahren noch 21 000 öffentliche Fernsprecher mehr als jetzt. Und auch Hubertus Kischkewitz, Sprecher der Deutschen Telekom, bestätigt, dass die Telefonzelle ein Relikt von gestern ist. "Wir haben aktuell noch rund 14 500" - nachdem es laut Deutschem Städtetag vor 25 Jahren noch 160 000 öffentliche Telefonstandorte gab. Die Telefonzelle bringt nicht mehr viel. "Im Gegenteil", schreibt Kischkewitz, "der Unterhalt kostet Geld, etwa für Strom, Standortmiete und Wartung."

Die Telekom darf deshalb in Städten und Gemeinden einen Abbau anregen, wenn ein Fernsprecher unter 50 Euro Umsatz pro Monat macht. Weniger Umsatz zeige, dass eine Telefonzelle nicht mehr gebraucht werde, erklärt Kischkewitz: "Der Kunde ist der Architekt des Telefonzellen-Netzes."

Wer die deutsche Telefonzelle retten möchte, muss dort also telefonieren. Und zwar für Geld. Die kostenlose Nutzung plant die Telekom nicht. Auch wenn der Kollege Penn in Australien jetzt so gute Erfahrungen damit macht.

Ein Wunder ist der Erfolg seiner Idee nicht. Schließlich kann sich nicht jeder ein Smartphone leisten. Manche Menschen müssen selbst ihr Kleingeld sparen. Und in entfernten Gegenden gibt es nicht immer Empfang. Andy Penn hat jedenfalls viele positive Reaktionen bekommen. Und eine kritische. Die Telekommunikationsfirma Optus beschwerte sich bei der Regierung und regte an, dem Konkurrenten die Zuschüsse zu streichen. Telstra führe die kostenlosen Fernsprecher nur "für seinen geschäftlichen Nutzen" ein. Man kann es eben nie allen recht machen.

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