SZ-Serie: Der Weg nach Berlin:Vier gewinnt

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Er sei "immer vor allen Wahlen nervös", sagt Stefan Liebich. Und tatsächlich stößt der Linken-Politiker bei seiner Bewerbung um einen guten Berliner Listenplatz für die Bundestagswahl auf Widerstand. Doch auch Liebich geht nicht mit übertriebener Nettigkeit vor.

Von Daniel Brössler, Berlin

Politiker "sind doch alle gleich", lautet das Pauschalurteil vieler Deutscher. Sind sie nicht. Die Süddeutsche Zeitung begleitet bis zur Bundestagswahl sieben Kandidaten aus sieben Parteien - Fehler und Rückschläge inklusive.

Der Berliner Stefan Liebich will für die Linke erneut in den Bundestag. Bereits im November hatten ihn die Genossen in seinem Wahlkreis Pankow zum Direktkandidaten gewählt. Ein guter Listenplatz stand noch aus.

Als es ernst wird für Stefan Liebich, sind die meisten Kameras schon wieder weg. Die große Aufmerksamkeit hatte Gregor Gysi gegolten und seiner Wahl auf Platz eins der Berliner Landesliste. Für Liebich geht es bei der "Vertreter/innen-Versammlung" in der Kreuzberger Jerusalemkirche um den nicht sicheren, aber doch aussichtsreichen Platz vier. Er könnte ein Netz sein, falls es mit dem Direktmandat nicht klappt. Die Linke müsste nach Liebichs Berechnung allerdings mindestens 13,2 Prozent in Berlin holen, damit es für vier Mandate reicht.

Auf Platz zwei und drei werden zunächst Vize-Bundestagspräsidentin Petra Pau und Ex-Parteichefin Gesine Lötzsch mit jeweils mehr als 80 Prozent der Stimmen reibungslos gewählt. Er sei "immer vor allen Wahlen nervös", gesteht Liebich danach. Es sei ja stets eine Bewährungsprobe. Tatsächlich ist Liebich dann der erste, der auf Widerstand stößt.

Als die Bewerber um Platz vier verlesen werden, sind es fünf. Als erster tritt Jens Carlberg von der Linken in Charlottenburg-Wilmersdorf ans Mikro. Er sei "nicht ganz so prominent" beginnt er, dabei ist er der einzige unter Liebichs Gegenkandidaten, der ernsthaft auf Stimmen hoffen kann. Carlberg, der sich als gelernter Schlosser und Hauptschullehrer vorstellt, gehört zum linken Flügel der Partei.

"Die Politik von Stefan" fand Carlberg "noch nie gut". Schon damals nicht, als Liebich noch als Fraktionschef im Abgeordnetenhaus für die rot-rote Koalition in Berlin verantwortlich gezeichnet hatte. Carlberg sagt, er sei gegen eine Regierung mit der "Maxime Sparen, Sparen, Sparen" gewesen. "Wir haben die Quittung bekommen und die Hälfte unserer Stimmen verloren", erinnert er. Carlberg spricht auch über den West-Ost-Konflikt im Berliner Landesverband. "Ich finde es schade, dass es uns nicht gelungen ist, diese Vorurteile abzubauen", bedauert er.

Selten neutral

Vor Beginn der Versammlung war ein Flugblatt der "Antikapitalistischen Linken" verteilt worden mit der Klage, dass "im einzigen Ost-West-Landesverband der Linken heute wie auch in den Jahren 2005 und 2009 wieder keine Vertreterin der Quellpartei WASG auf einem der ersten fünf Listenplätze vertreten sein sollen". Fünf ist eine wichtige Zahl, denn fünf Berliner Linke hatten es vergangenes Mal in den Bundestag geschafft.

Stefan Liebich darf als Zweiter sprechen, bedankt sich erst einmal bei seinen Gegenkandidaten - hat sich aber ansonsten nicht für übertriebene Nettigkeit entschieden. Er zitiert ausgerechnet Gysis berühmt gewordene Klage gegen den "Hass" in der Bundestagsfraktion und räumt ein, als Reformer in innerparteilichen Debatten "selten eine neutrale Rolle" gespielt zu haben.

Man müsse übrigens nicht, holt er dann zum Schlag gegen Carlberg aus, "in der Regierung sein, um die Hälfte der Stimmen zu verlieren". Er meint Niedersachsen, wo ziemlich linke Linke gerade erst aus dem Landtag geflogen sind. Von 136 Delegierten geben schließlich 95 Liebich ihre Stimme, fast 70 Prozent. Konkurrent Carlberg erhält 22 Stimmen, 16 Prozent.

Gleich nach der Wahl gratuliert ein älterer Genosse. Wie einem Sohn nach bestandener Prüfung tätschelt er Liebichs Wange. Es ist Gregor Gysi.

© SZ vom 25.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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