SZ-Serie: Der Weg nach Berlin:Darmstadt für Fortgeschrittene

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Der Wahlkampf des Charles Huber ist ein Experiment: Da wird auf die Probe gestellt, wie einer durchkommt, der nie in den Parteiniederungen seine Runden machte. Der Schauspieler geht nun die nächste Phase seines Politiker-Daseins in Hessen an.

Von Jens Schneider

Politiker "sind doch alle gleich", lautet das Pauschalurteil vieler Deutscher. Sind sie nicht. Die Süddeutsche Zeitung begleitet bis zur Bundestagswahl 2013 sieben Menschen aus sieben Parteien auf ihrem Weg in die Politik - Fehler, Rückschläge und Niederlagen inklusive.

"Helfen Sie mir!" Ganz heiter kommt die Bitte daher, überhaupt nicht fordernd. Der Mann lächelt dazu. Seine Augen zeigen, dass er in seinem Gedächtnis sucht und rätselt, wem er nun begegnet vor dem Restaurant im schönen Kloster Eberbach bei Eltville am Rhein. Es kann für einen Politiker eine heikle Sache sein, um Hilfe gebeten zu werden.

Zu oft muss er sagen, dass er nichts machen kann gegen den Bescheid vom Amt, gegen diese oder die andere Steuer, dass er nicht zuständig ist. Charles M. Huber hat erlebt, wie ältere Frauen ihm ihr Leben und Leid ausbreiteten. Er war nicht so abgebrüht, weiterzugehen, als sie vom knappen Geld und hoher Miete erzählten. "Das berührt mich." Er habe versucht, an zuständige Stellen zu verweisen.

Dies hier aber ist ein anderes Hilfe-Ersuchen. Er kann es leicht erfüllen, die Antwort ist eingeübt. "Helfen Sie mir auf die Sprünge", bittet der Mann noch mal. Huber wartet einen klugen Moment, so wirkt es beiläufig, als er sagt: "Der Alte". Ach, da kommt es, der Mann erinnert sich: Aus dem Fernsehen kennt er das Gesicht, der Kripo-Assistent. Gleich empfiehlt er dem bekannten Schauspieler Huber den Wein hier, unbedingt müsse er den kosten. Tatsächlich ist Huber an diesem Abend ein Stück hinausgefahren aus dem Wahlkreis Darmstadt, den er bei der Bundestagswahl gewinnen will. Die Handwerkskammer Frankfurt hat Gäste aus Sambia hergeführt und Huber eingeladen, der sich schon lange für die Afrikahilfe interessiert.

Der Wahlkampf des Charles Huber ist ein Experiment

Auch im Restaurant begleitet ihn dieser Blick: Den kennt man doch, kennt man ihn nicht? Der Wahlkampf des Charles Huber ist ja ohnehin ein Experiment: Da wird auf die Probe gestellt, wie einer durchkommt, der nie in den Parteiniederungen seine Runden machte und erst mal lernen muss, was so ein Kreisvorstand ist und wie wichtig der ist. Da war in den vergangenen Monaten für ihn, der sich als Bundespolitiker versteht, manche Sitzung ein Abenteuer. So normal sie gewesen sein mag. Aber mindestens ein Neben-Experiment ist mit seiner Vergangenheit als Schauspieler verbunden, und der Frage, ob es sich auszahlt, Politik einfach mal durch gelernte Darsteller präsentieren zu lassen.

Diese Anmutung freilich würde Huber nicht gefallen. Er weiß, dass er gut auftreten kann, aber das soll nicht alles sein. Er ist Kandidat in einem Wahlkreis, den die einstige Justizministerin Brigitte Zypries von der SPD vor vier Jahren mit nur 45 Stimmen Vorsprung gewann. Nach der Nominierung zog Huber nach Darmstadt in eine kleine Wohnung. Es sei das erste Mal, dass er eine längere Zeit außerhalb Bayerns lebt. Nun entdeckt er für sich, dass es in Hessen weniger folkloristisch zugeht als daheim, stattdessen recht nüchtern und intellektueller.

Am liebsten böte Huber im Wahlkampf etwas, womit er dem Standort richtig weiterhelfen könne, sagt er. Vielleicht eine Ansiedlung? Ein Unternehmen mit Perspektive. Freilich ist er vorerst ja nur Kandidat. "Aber die Tatsache ist", sagt er zu diesem Einwand, "dass ich das Potenzial habe, das darzustellen. Das Handwerkszeug habe ich."

Es war nicht so, dass Huber ankam in Darmstadt und da eine Art Rolle vorgeschrieben war, in die er hätte schlüpfen können. "Der größte energetische Aufwand ist, wenn Sie gar nicht wissen, wie der Wahlkampf aussehen soll." Am Anfang hat er geglaubt, er solle zu großen Fragen Stellung nehmen, wenn er sich als Bundespolitiker fühlt. Aber dann sollte er über Ortsumgehungen reden oder die Wohnungsnot. Es ging um Stadtteile, von denen er nie gehört hatte, und es war besser, sich ruhig zu verhalten. 1000 Fettnäpfchen lauerten. Aber er ist nun nicht so blöd zu spekulieren, wie oft er eines traf.

Reise in den Senegal, Kraft schöpfen

Auf jeden Fall bedeutete das, nachts nach den Terminen in dieser fremden Stadt wach auf dem Bett zu liegen, zwischen Entdeckungsfreude und Unbehagen: immer die Frage, was er noch lernen müsse, im Schnellkurs. Seit einigen Wochen, sagt Huber, sei nun alles anders. Jetzt fühle es sich gut an, er kenne sich aus. "Jetzt kommt der gechillte Teil, dann geht es ab!" Für zwei Wochen reist er in den Senegal, Kraft schöpfen. Dann soll der Wahlkampf heiß werden. Dass die Politik viele Überraschungen birgt, kommentiert er mit dem bewährten Lächeln: "Das Filmgeschäft ist auch anders, als man sich das Filmgeschäft vorstellt."

Die SZ begleitet sieben Kandidaten in ihrem Wahlkampf: Charles M. Huber (CDU), Bruno Kramm (Piraten), Stefan Liebich (Linke), Sabine Poschmann (SPD), Alexander Radwan (CSU), Judith Skudelny (FDP) und Petra Zais (Grüne).

© SZ vom 09.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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