Syriens Staatschef Assad:"Europa wird den Preis für Waffenlieferungen zahlen"

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Der syrische Staatspräsident Baschar al-Assad warnt Europa. (Foto: dpa)

Mehr als 93.000 Menschenleben hat der Bürgerkrieg in Syrien bisher gefordert, täglich kommen neue hinzu. Staatschef Assad warnt Europa jetzt davor, die Aufständischen mit Waffen zu versorgen. Eine Folge von Lieferungen an die Opposition wäre "der Export des Terrorismus nach Europa", so Assad.

Der syrische Staatschef Baschar al-Assad hat europäische Staaten davor gewarnt, Waffen an die Rebellen in seinem Land zu liefern. "Wenn die Europäer Waffen liefern, wird der Hinterhof Europas terroristisch, und Europa wird den Preis dafür zahlen", sagte Assad in einem Interview der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Eine Folge von Lieferungen an die Opposition wäre der Export des Terrorismus nach Europa, sagte Assad. "Terroristen werden kampferfahren und mit extremistischer Ideologie ausgerüstet zurückkehren."

Er wies zudem Vorwürfe zurück, wonach seine Truppen Giftgas eingesetzt haben. Hätten Frankreich, Großbritannien und die USA nur einen Beweis für ihre Behauptungen, hätten sie diesen der Weltöffentlichkeit vorgelegt, sagte der Staatschef.

Assad bestreitet nach wie vor jede Mitschuld an der Eskalation des syrischen Bürgerkriegs. Die Zusammenarbeit mit Russland und Iran sei "legitime Unterstützung", seine Gegner nennt Assad "Terroristen".

Schwerpunkte des Interviews, das FAZ-Redakteur Rainer Hermann nahe Damaskus führte.

  • Europas Rolle im Syrien-Konflikt: Großbritannien, Frankreich und die Vereinigten Staaten suchten nach Lakaien und Puppen, die ihre Interessen durchsetzen, sagte Assad. "Was in Syrien vor sich geht, ist eine Chance für diese Staaten, einen nicht fügsamen Staat an den Rand zu drängen und nach einem neuen Präsidenten zu suchen, der immer nur 'jawohl' sagt. Den haben sie nicht gefunden und den werden sie auch in Zukunft nicht finden." Die Europäer stünden nicht auf der Seite Syriens, so Assad. Eine besonders feindselige Haltung nähmen Großbritannien und Frankreich ein. Die anderen Staaten, insbesondere Deutschland, stellten rationale Fragen zu Waffenlieferungen an Terroristen, betonte der syrische Staatschef. "Was würde geschehen? Erstens, Syrien würde noch mehr zerstört. Wer würde den Preis zahlen? Das syrische Volk. Zweitens, die Europäer liefern Waffen und wissen, dass sie diese an Terroristen liefern."
  • Unterstützung durch Iran und Russland: "Es besteht ein großer Unterschied zwischen der Zusammenarbeit unter Staaten und der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates mit der Absicht, dessen Stabilität zu untergraben." Das Verhältnis zwischen Syrien und Russland, Iran und anderen Staaten, die an der Seite Syriens stehen, sei ein Verhältnis der Zusammenarbeit, "das vom Völkerrecht garantiert und abgesichert ist", so Assad.
  • Die Lage in Syrien: "Es ist kein Krieg einer Armee gegen eine andere Armee. Unsere Armee sieht sich vielmehr Banden gegenüber. Die Jagd auf Terroristen hat einen hohen Preis. Wir zweifeln nicht daran, dass wir die Terroristen auf unserem Boden vollkommen ausschalten werden. Das Problem ist die Zerstörung, die dabei entsteht", sagte Assad. Er und seine Regierung hätten alles dafür getan, um eine solche Auseindersetzung zu verhindern: "Seit Beginn der Krise, ja sogar schon mehrere Jahre vor ihrem Ausbruch haben wir mit Reformen begonnen. Wir haben mehrere Gesetze erlassen, das Notstandsgesetz aufgehoben, die Verfassung geändert und darüber ein Referendum abgehalten."
  • Die Rolle der Hisbollah: Ist die Hisbollah eine terroristische Organisation? Assad zufolge griff die Hisbollah nahe Kusair nur ein, weil begonnen worden sei, Dörfer entlang der Grenze zu beschießen. Um das Chaos zu beenden, habe die Hisbollah mit der syrischen Armee an dieser Stelle zusammengearbeitet. Bei der Hisbollah handle es sich jedoch nicht um einen Verband, sondern um individuelle Kämpfer entlang der Grenze. Sie hätten die syrische Armee bei den Säuberungsaktionen entlang der libanesischen Grenze unterstützt, sagte Assad. Das Kräfteverhältnis in Syrien könne die Hisbollah aber nicht verändern.
  • Einsatz von chemischen Waffen: Die Terroristen hätten nahe Aleppo chemische Waffen eingesetzt, daraufhin habe die syrische Regierung die UN aufgefordert, eine Untersuchungskommission an dem Ort einzusetzen. Dieser Auftrag sei jedoch von Großbritannien und Frankreich blockiert worden, behauptete Assad.
  • Todesopfer im Syrien-Konflikt: Seit Beginn des Aufstandes gegen Präsident Baschar al-Assad im März 2011 hat der Bürgerkrieg in Syrien einer UN-Schätzung zufolge mehr als 93.000 Menschenleben gefordert, monatlich kämen demnach bis zu 6000 hinzu. 6500 der Opfer waren Minderjährige, fast 1730 von ihnen Kinder unter zehn Jahren. Dazu formulierte Assad: "Wir jagen die Terroristen, wohin sie auch gehen. Sie gehen oft in Wohngebiete. Nehmen wir als Beispiel Kusair. Westliche Medien berichteten von 50.000 Zivilisten. Als sich die Terroristen des Ortes bemächtigten, verließen ihn die Bewohner. Wir fanden nahezu keine Zivilisten vor, als wir in Kusair einzogen." Eine große Zahl der zivilen Opfer werde durch Selbstmordanschläge und Autobomben getötet, sagte Assad. Er fügte hinzu: "Die restlichen Getöteten sind entweder syrische oder ausländische Terroristen."
  • Mögliche Verhandlungen mit der Opposition: "Unsere Türen sind geöffnet", sagte Assad in dem Interview, "vom ersten Tag hatten wir unsere Hand ausgestreckt für jeden, der den Dialog will. Wir haben diese Haltung nicht geändert." Er sei bereit, sich mit jeder Opposition an einen Tisch zu setzen, die keine Waffen trage, nicht den Terrorismus unterstütze und ein politisches Programm habe. "Praktisch werden wir Verhandlungen führen mit den Vereinigten Staaten, Frankreich und Großbritannien sowie deren Werkzeugen Türkei, Katar und Saudi-Arabien."
  • Die Zukunft Syriens: Der syrische Staatschef versprach den Wiederaufbau des Landes. Er betonte jedoch: "Die größte und wichtigste Herausforderung aber ist, sich gegen den Extremismus zu stellen." Keine religiöse Partei - weder christlich noch islamisch - würde an der Spitze des Landes funktionieren. Assad weiter: "Für uns ist die Religion die Aufforderung zum persönlichen Glauben, kein Instrument, um Politik zu machen."
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