Syrien:Türkei startet Bodenoffensive

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Panzer rollen über die Grenze, Artillerie beschießt das Nachbarland. Mit einer Militäraktion will Ankara die Terrormiliz IS aus der Grenzregion vertreiben - und zugleich den Vormarsch der Kurden stoppen.

Von Moritz Baumstieger, München

Rebellen der Freien Syrischen Armee (FSA) haben am frühen Mittwochabend mit Unterstützung des türkischen Militärs große Teile der bisher von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gehaltenen Grenzstadt Dscharablus in Nordsyrien erobert. Von vier Uhr morgens an hatten die türkische Artillerie und Kampfjets der internationalen Anti-IS-Koalition bereits Stellungen der Dschihadisten angegriffen, später folgte eine von Panzern begleitete Bodenoffensive. An dieser nahmen türkische Spezialeinheiten teil, die Mehrheit der Truppen stellten jedoch die syrischen Rebellen. Ankara hatte nach deren Angaben 1500 Kämpfer moderater Gruppen ins Land gelassen, damit sie von türkischem Boden auf das strategisch wichtige Dscharablus vorrücken können.

Schon am frühen Abend meldeten türkische Medien und Rebellenführer, die Kämpfer hätten das Zentrum von Dscharablus erreicht und das IS-Hauptquartier besetzt. Ein Kommandant sagte, die Stadt sei zu 50 Prozent unter der Kontrolle der FSA, ein anderer berichtete, die meisten IS-Kämpfer hätten sich zurückgezogen oder ergeben. Dass der IS Dscharablus und Umgebung so schnell aufgibt, überrascht: Die türkisch-syrische Grenzregion ist äußerst wichtig für den Nachschub der Terrormiliz, hier schmuggelte der IS Versorgungs- und Rüstungsgüter sowie Kämpfer auf sein Territorium. Das wird nun noch schwieriger, schon der Verlust des 40 Kilometer entfernten Manbidsch vor zwölf Tagen traf die Dschihadisten hart. Mit der Militäroperation unter dem Namen "Schutzschild Euphrat" will Ankara jedoch nicht nur den IS von seiner Grenze vertreiben, sondern auch ein zweites Ziel erreichen.

Durch den ersten Großeinsatz eigener Kräfte im syrischen Bürgerkrieg wollte die türkische Regierung eine Einnahme der Region durch kurdische Volksverteidigungseinheiten (YPG) verhindern. Sie sind der militärische Arm der syrischen Kurdenpartei PYD und stehen nach Ansicht Ankaras der in der Türkei als Terrororganisation verbotenen PKK nahe.

Gleichzeitig ist YPG die stärkste Gruppe innerhalb der Syrischen Demokratischen Kräfte, die von der US-geführten Koalition unterstützt werden. Trotz dieser Allianz mit einem Gegner Ankaras unterstützen die USA die türkische Offensive mit Informationen ihrer Geheimdienste, mit Militärberatern und der Luftwaffe, wie ein Mitarbeiter von US-Vizepräsident Joe Biden am Mittwoch bei dessen Besuch in Ankara bestätigte. Biden warnte die Kurden, nicht weiter vorzurücken und sich im Gegenteil wie vereinbart auf die Ostseite des Euphrat zurückzuziehen: "Sie können und werden unter keinen Umständen amerikanische Unterstützung erhalten, wenn sie sich nicht an ihre Verpflichtung halten." Das russische Außenministerium äußert sich "tief besorgt" über den Vorstoß der Türkei.

Der Sender CNN Türk berichtete, dass Ankara einen 70 Kilometer breiten Streifen entlang der Grenze auf syrischem Boden erobern will. Diese Schutzzone soll von Dscharablus bis Asas als Bollwerk sowohl gegen den IS, als auch gegen YPG dienen.

© SZ vom 25.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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