Syrien-Verhandlungen:Mit dem Kopf in Genf

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Immer noch sind in Syrien etwa 700 000 Menschen von regelmäßiger Nahrungsmittelhilfe abgeschnitten. (Foto: Ali Hashisho/Reuters)

Was Syrien betrifft, so ist München nur Zwischenstation. Alle warten auf die Gespräche in Genf - und eine Positionierung der USA.

Von Moritz Baumstieger und Paul-Anton Krüger, München

Astana, München, Genf - diese drei Etappen sollen den Friedensprozess in Syrien wieder in Gang bringen. Vor einem Jahr noch hatten der damalige US-Außenminister John Kerry und sein russischer Kollege Sergej Lawrow am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz eine landesweite Feuerpause für das Bürgerkriegsland ausgehandelt - die Hoffnungen auf eine politische Lösung aber wurden enttäuscht. Diesmal ist München nur Zwischenstation. In die kasachische Hauptstadt Astana hatten Russland, Iran und die Türkei am Donnerstag erneut Delegationen der Regierung von Präsident Baschar al-Assad und der bewaffneten Opposition eingeladen - das Ergebnis war noch dürftiger als beim ersten Treffen in diesem neuen Format Ende Januar. Es gab keine gemeinsame Abschlusserklärung, weder der Kontrahenten noch Russlands und der Türkei, die Ende Dezember noch eine neue Waffenruhe ausgehandelt hatten und als deren Garantiemächte fungieren.

Anas Abdah, Präsident der Syrischen Nationalkoalition, in der sich die politische Opposition zusammengeschlossen hat, sagte der Süddeutschen Zeitung, Russland versuche zwar, Druck auf das Regime auszuüben, "aber es könnte sicherlich mehr tun". In Syrien würden die Angriffe weitergehen, auch auf Gruppen, die in Astana vertreten waren. Von einer Waffenruhe könne man kaum noch reden. "Wir brauchen einen transparenten Mechanismus, die Waffenruhe zu überwachen und Verstöße zu ahnden", forderte Abdah, der in München die syrische Opposition vertritt. Das hätte eigentlich Astana leisten sollen, doch gibt es große Unstimmigkeiten: Die Rebellen beharren darauf, dass vor jedem weiteren Schritt Russland die Waffenruhe durchsetzen müsse - und verweisen darauf, dass Regierungstruppen mit Unterstützung Irans zwischen den beiden Treffen in Kasachstan das Barada-Tal bei Damaskus eingenommen hätten und Angriffe im Umland von Damaskus, Aleppo und der Provinz Idlib weitergehen.

Zugleich lehnen die Rebellen wie auch der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura Versuche Russlands ab, die Gespräche in Astana zu politischen Verhandlungen aufzuwerten. Diese müssten Ende Februar in Genf geführt werden, sagte de Mistura. Auch Bundesaußenminister Sigmar Gabriel betonte nach einem Treffen mit Kollegen aus westlichen und arabischen Ländern in Bonn, es dürfe "keine Parallelverhandlungen geben" neben denen der UN.

Wer sich in München Aufschluss über die Haltung der Regierung von US-Präsident Donald Trump erhofft hat, dürfte enttäuscht werden - nachdem dieser im Wahlkampf angekündigt hatte, die Unterstützung für die syrische Opposition zu beenden. Nun war es am deutschen Außenminister, auch noch neu im Amt, nach den Gesprächen in Bonn eine erste Einschätzung zu geben: Außenminister Rex Tillerson habe sich zu einer politischen Lösung im Rahmen der Genfer Verhandlungen und unter dem Dach der UN bekannt.

Nicht gerade viel, aber westliche Diplomaten, die mit dem Syrien-Dossier befasst sind, hatten die Erwartungen schon gedämpft. Die neue US-Regierung werde noch einige Wochen, wenn nicht Monate brauchen, um ihre Syrien-Politik auszubuchstabieren. Zuletzt hatte das Pentagon auch US-Bodentruppen in Syrien als Option im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und die Schaffung von Sicherheitszonen in Nordsyrien ins Spiel gebracht - was ohne Zustimmung des Regimes und Russlands erhebliches Konfliktpotenzial birgt. Militärische Kooperation mit Russland, die Trump vor der Wahl als Möglichkeit bezeichnet hatte, hat sein Verteidigungsminister James Mattis inzwischen schon wieder ausgeschlossen. Diplomaten sprechen von einem "Vakuum", das die Unklarheit über die US-Position lässt.

Das syrische Regime sieht sich angesichts der Rückeroberung von Aleppo und neuer Geländegewinne in einer Position der Stärke und wehre sich "mit Händen und Füßen" gegen eine politische Lösung, heißt es unter westlichen Diplomaten. Iran, neben Russland Assads wichtigster Verbündeter, hält sich bedeckt - unterstützt in Syrien aber die Offensive des Regimes. In dieser Situation muss UN-Vermittler de Mistura nun versuchen, Fortschritte zu erzielen - sonst, so sagen Diplomaten, sei es eine Frage der Zeit, bis der Waffenstillstand zusammenbreche.

Für die Opposition ist der Abgang von Präsident Assad nach wie vor unerlässlich, wie Anas Abdah klarmacht. Es gebe aber "detaillierte Vorschläge, wie wir die Institutionen des syrischen Staates bewahren können", sagt er, einschließlich Armee und Sicherheitsdienste. Ein Staatszerfall wie im Irak: Das ist die größte Sorge auch vieler Politiker im Westen. Manchen erscheint das Regime da schon als kleineres Übel. Aber Assad sei verantwortlich für den Tod Hunderttausender Syrer und die Vertreibung der Hälfte der syrischen Bevölkerung. "Ihn an der Macht zu lassen, hieße, ihm Immunität für diese Verbrechen zu gewähren." Assad sei der Hauptgrund für Terrorismus in Syrien und für die Flüchtlingskrise in Europa, sagt Abdah. Dürfe er im Amt bleiben, sei das "eine Strategie, die unweigerlich ins Desaster führt".

© SZ vom 18.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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