Syrien:Merkel wirft Moskau Zynismus vor

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Selten zuvor hat die Bundesregierung wegen des Krieges in Syrien so deutliche Kritik an Russland geübt.

BerlinBundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Russland für seine Haltung in der Syrien-Krise scharf kritisiert und an die Moskauer Regierung appelliert, humanitäre Hilfe für die umkämpfte Stadt Aleppo zu ermöglichen. "Das Töten und Sterben in Aleppo muss ein Ende haben", sagte Merkels Sprecher Steffen Seibert am Montag. Russland und die Regierung des syrischen Präsidenten trügen "die Hauptverantwortung" dafür, die Versorgung der Stadt mit Nahrung, Wasser und Medikamenten zu ermöglichen. Zu dem Angebot der russischen Seite, dafür täglich eine dreistündige Feuerpause einzulegen, sagte Seibert, das sei "kein Entgegenkommen, sondern Zynismus". Auch seien, anders als angekündigt, keine ausreichenden Notkorridore geöffnet worden, um Menschen die Flucht aus Aleppo zu ermöglichen.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bemühte sich um ein Entgegenkommen Russlands. "Die humanitäre Situation in Aleppo ist katastrophal. Das kann und darf so nicht weitergehen", sagte Steinmeier nach einem Gespräch mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow in Jekaterinburg. Lawrow lehnte jedoch eine längere Waffenruhe ab. Er sagte, dies könnte den Aufständischen die Möglichkeit geben, sich neue Waffen zu besorgen. Dies sei in der Vergangenheit so geschehen.

Eine Sprecherin Steinmeiers stellte in Berlin klar, dass Steinmeier, anders als vereinzelt berichtet worden war, keine Luftbrücke für Aleppo gefordert hatte. Priorität habe eine Versorgung auf dem Landweg, es gehe aber darum, Möglichkeiten zu prüfen, diese Hilfe aus der Luft zu ergänzen. Die Einrichtung einer permanenten Luftbrücke sei hingegen "unrealistisch". Sollte ein von den Vereinten Nationen kontrollierter Zugang nach Aleppo geschaffen werden, stünde Berlin "sofort bereit", die Hilfslieferungen zu unterstützen.

Die zweitgrößte syrische Stadt ist zwischen Regierung und Rebellen schwer umkämpft. Russland ist einer der engsten Verbündeten der syrischen Regierung. Moskau und Washington nähern sich nach den Worten des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu einer Vereinbarung an, um die Lage in Aleppo zu entspannen. Aus US-Kreisen verlautete dagegen, die Gespräche mit Russland dauerten an, eine Einigung stehe nicht bevor. Mindestens 24 Menschen wurden am Wochenende in der Stadt durch Luftangriffe getötet. Das teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit, deren Angaben nur schwer zu überprüfen sind. Auch in anderen Teilen Syriens wird heftig gekämpft. Nach der Rückeroberung der Stadt Manbidsch aus den Händen des IS will eine Allianz aus Kurden und von den USA unterstützten Kämpfern ihren Vormarsch fortsetzen. Nächstes Ziel ist die 50 Kilometer entfernte Dschihadisten-Hochburg al-Bab. Dadurch soll Raqqa isoliert werden, die Stadt stellt so etwas wie die Hauptstadt des IS in Syrien dar. Bei ihrem Rückzug aus Manbidsch hatten IS-Kämpfer etwa 2000 Zivilisten entführt, die am Samstag wieder freikamen. Derweil versucht der IS offenbar, den Nachschubweg ihrer Feinde zu stören. Bei einem Selbstmordattentat an der türkisch-syrischen Grenze kamen am Sonntagabend 32 syrische Rebellen um, der IS übernahm die Verantwortung

© SZ vom 16.08.2016 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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