Syrien-Krieg:Kinderhilfswerk warnt vor "verlorener Generation"

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Knapp eine Million Kinder sind auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg in Syrien, viele davon in den Libanon. Das kleine Land steht durch die Flüchtlingsströme nun vor einer humanitären Katastrophe. Laut Kinderhilfswerk wird auch die fehlende Spendenbereitschaft der Deutschen zum Problem.

Die Zahlen sind beängstigend: Seit Beginn des Aufstands in Syrien gegen Präsident Baschar al-Assad im März 2011 sind bisher mehr als 100.00 Menschen getötet worden. Diese Zahlen haben syrische Menschenrechtsbeobachter unter Berufung auf ein Netzwerk aus Ärzten und Aktivisten in London veröffentlicht. Besonders erschreckend: Unter den Todesopfern sind auch mehr als 5000 Kinder. Einer UN-Schätzung zufolge waren sogar 1700 von den getöteten Kindern unter zehn Jahren.

Staatschef Assad widerspricht allen Angaben über massenhafte Todesopfer unter der Zivilbevölkerung und stellt die Situation in seinem Land völlig anders dar. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Juni behauptet er: "Wir jagen die Terroristen, wohin sie auch gehen. Sie gehen oft in Wohngebiete. Nehmen wir als Beispiel Kusair. Westliche Medien berichteten von 50.000 Zivilisten. Als sich die Terroristen des Ortes bemächtigten, verließen ihn die Bewohner. Wir fanden nahezu keine Zivilisten vor, als wir in Kusair einzogen." Eine große Zahl der zivilen Opfer werde durch Selbstmordanschläge und Autobomben getötet, sagte Assad. Er fügte hinzu: "Die restlichen Getöteten sind entweder syrische oder ausländische Terroristen."

Nach Angaben von Hilfsorganisationen sind momentan unzählige Syrer auf der Flucht vor dem Krieg. Das Kinderhilfswerk World Vision hat wegen der anhaltenden dramatischen Lage dieser Flüchtlinge vor einer "verlorenen Generation" gewarnt. World Vision-Deutschlandchef Christoph Waffenschmidt sprach von mehr als 800.000 Kinder-Flüchtlingen, die in Nachbarstaaten geflohen seien. Die meisten von ihnen in den Libanon. Dieses Land werde jetzt am härtesten von der humanitären Katastrophe getroffen, sagte Waffenschmidt. World Vision gehe davon aus, dass bei weiter anhaltenden Kämpfen in Syrien bis zum Ende dieses Jahres jede dritte Person im Libanon ein Flüchtling sein werde. Das Land ist etwa halb so groß wie Hessen und hat regulär nur etwa vier Millionen Einwohner.

Anders als bei Naturkatastrophen wie Erdbeben reiche die Spenden-Bereitschaft bei weitem nicht aus, um die Kinder mit dem Nötigsten zu versorgen. "Die Kinder aus Syrien haben zu dem Konflikt nichts beigetragen, leiden aber am meisten unter seinen Folgen", sagte Waffenschmidt, "Alle sollten mehr dafür tun, damit aus diesen Kindern keine verlorene Generation wird."

Besorgniserregend sei, dass von den Konfliktparteien immer öfter heranwachsende Jungen als Kindersoldaten direkt in den Konflikt hineingezogen würden. Die Mädchen gerieten in die Gefahr, sehr jung verheiratet zu werden, da ihre Familien sie nicht mehr versorgen könnten. Waffenschmidt warnte, dass auf die humanitäre Krise eine Bildungskrise folgen könnte. Denn: Von den Flüchtlingskindern im Libanon besuchten nur 38 Prozent eine Grundschule und nur zwei Prozent der Älteren eine weiterführende Schule. Außerdem gerate der Libanon durch die Flüchtlingskatastrophe zunehmend selbst in Probleme. So hätten einige Orte mittlerweile doppelt so viele Einwohner als vor einem Jahr, was den Druck auf das Gesundheitssystem, die Schulbildung oder die Energieversorgung stark erhöht habe.

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