Swing State:"Der spricht meine Sprache"

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Pennsylvania hatte 2016 die Wahl mit entschieden, so könnte es jetzt wieder sein: Trump-Anhänger in dem US-Staat schauen das TV-Duell. (Foto: Rachel Wisniewski/Reuters)

Warum Donald Trump bei vielen Amerikanern noch immer so gut ankommt - ein Besuch in Pennsylvania.

Von Thorsten Denkler

Und wie sie auf einmal kichern und giggeln. Donald Trump hat seinen Herausforderer gerade abgekanzelt, dass er ihm nur nicht mit "smart" kommen solle. Schließlich sei Joe Biden Allerletzter in seiner Klasse gewesen; er habe sogar mal vergessen, welches College er besucht habe. Das saß. Die Handvoll Mittzwanziger findet es durchaus unterhaltsam, wie der Präsident auf seinen demokratischen Kontrahenten losgeht. Sie sitzen auf Barhockern im Hinterzimmer von "Uncle Bucks Barbecue" an der Hauptstraße von Plymouth, Pennsylvania, vor sich auf den Stehtischen Softdrinks und Cocktails in Plastikbechern. Über ihnen an der Wand der Fernseher, der das erste Duell zwischen Trump und Biden überträgt. Die lokalen Republikaner hatten per Facebook hierher eingeladen.

Zwei Klimaanlagen und ein Ventilator surren, keiner trägt Maske. Von der Bedienung hinter der Theke abgesehen, einer wild tätowierten Frau, kaum älter als ihre Gäste. "Noch mal das Gleiche?", fragt sie. Eine junge Frau mit blonden Haaren schaut kurz vom Handy auf und nickt.

Trump und Biden erwähnen hin und wieder Pennsylvania. Wenn Trump das macht, nicken alle beifällig. Nimmt Biden den Bundesstaat als Beispiel dafür, wie sehr die Menschen unter der Arbeitslosigkeit und der Pandemie leiden, erntet er dagegen nur ungläubiges Kopfschütteln. Hat Trump nicht gehalten, was er versprochen hat? Er hat es den Chinesen gezeigt und die Zölle auf Waren aus der Volksrepublik erhöht, wohin einst so viele der Fabrikjobs aus der Gegend gegangen sind. Vor allem aber boomte die Wirtschaft wie lange nicht mehr. 257 000 Jobs hatten sie in der Region im Nordosten des Bundesstaates, als Trump ins Weiße Haus einzog. Drei Jahre später waren es schon 260 000, jedes Jahr tausend mehr. Dann kam Corona, das Virus aus China. Aber dafür kann Trump doch nun wirklich nichts. So reden sie hier.

Pennsylvania wird 2020 ein Swing State sein, einer der Bundesstaaten, deren Ergebnis nicht von vornherein feststeht. Vielmehr dürfte der Ausgang hier zusammen mit den Resultaten in drei, vier anderen Bundesstaaten darüber entscheiden, wer Präsident wird. So war das schon 2016. Trump hatte damals Pennsylvania überraschend gewonnen, ihm reichten 44 000 Stimmen Vorsprung, nicht mal ein Prozent. Gut die Hälfte kam aus Luzerne County, wo Plymouth liegt. Das Ergebnis in diesem Landkreis könnte also von enormer Bedeutung für den Ausgang der Wahl sein.

Seit 1988 hatte hier kein republikanischer Präsidentschaftskandidat mehr gewonnen. Bis Trump den Landkreis mit 20 Prozent Vorsprung vor Hillary Clinton holte. Luzerne County war einst Kohlegebiet. Aber der Bergbau ist seit bald 40 Jahren tot. Danach kam die Textilindustrie. Die ist jetzt auch weg. Alles nach China gegangen. Neue Jobs gibt es nur in den riesigen Zentrallagern der Warenhausketten.

Selbst die Demokraten im Landkreis glauben nicht, dass Biden Luzerne County wieder gewinnen kann. Der Anteil der Weißen ist deutlich höher als im Rest des Bundesstaates, und der Bildungsgrad deutlich niedriger. Es waren genau diese Wähler, weiß, ohne College-Abschluss, die Trump vor vier Jahren den entscheidenden Vorsprung verschafften. Aber die Demokraten hoffen, dass sie diesen jedenfalls reduzieren können. Denn selbst Luzerne County verändert sich. Immer mehr Angehörige von Minderheiten ziehen hierher. Allerdings macht Bidens Leuten eine andere Zahl Sorgen: Seit 2016 haben die Republikaner 11 600 neue Wähler registriert, sozusagen eingetragene Unterstützer; die Demokraten verzeichnen keinen Zuwachs.

Chris kommt in die Bar, 30 Jahre, Kurzhaarschnitt, grauer Hoodie. Er arbeitet als Gefängniswärter in einer Haftanstalt acht Meilen den Susquehanna River abwärts. Ein krisensicherer Job. "Ich mag den Typen, der spricht meine Sprache", sagt er über Trump. "Er hat einen guten Job gemacht." Im TV wirft Biden Trump gerade vor, ein Rassist zu sein. Chris schüttelt den Kopf. Und erzählt von einem Häftling, einem Afroamerikaner. "Selbst der findet Trump super." Im Fernsehen sagt Trump nun, er habe in 47 Monaten mehr erreicht als Biden in 47 Jahren. Da lachen alle in der Runde. Bei "Uncle Bucks" werden sie wohl für Trump stimmen - wenn sie zur Wahl gehen.

© SZ vom 01.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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