Südostasien:Nächste Front

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Die Terrormiliz Islamischer Staat und ihre Verbündeten versuchen, die multireligiösen Staaten der Region aus dem Gleichgewicht zu bringen und in die Selbstzerstörung zu treiben. Dagegen hilft nur eine internationale Strategie, an der sich die USA und China beteiligen. Auch Europa muss mitmachen.

Von Arne Perras

In Europa herrscht Angst vor dem Terror, weil er auf Europa zielt. Die Attacke von Manchester hat diese Stoßrichtung grausam bestätigt. Im Schock über den Anschlag wurde ein anderer Tatort allerdings kaum wahrgenommen, er liegt aus europäischer Sicht weit weg, darf aber nicht ausgeblendet werden. In Indonesiens Hauptstadt Jakarta sprengten sich mutmaßliche Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in die Luft, auch dort gab es Tote und Verletzte. Die Front in Südostasien weitet sich aus.

Extremisten untergraben dort nicht nur die Stabilität der Staaten, ihr Kampf gefährdet auch das Wachstum einer aufblühenden Region. Das kann den Europäern nicht egal sein. Beispiel Philippinen: Manila hat im Süden jetzt das Kriegsrecht ausgerufen, die Armee jagt islamistische Aufständische, die Teile einer Stadt eingenommen haben. Häuserkämpfe, Luftangriffe - das sind Szenen eines Krieges, der auch jenseits der philippinischen Grenzen Alarm auslöst. Das Chaos breitet sich in nächster Nähe zur Schlagader der Weltwirtschaft aus: Durch das Südchinesische Meer verläuft eine der wichtigsten Schifffahrtsrouten. Man muss kein Großstratege sein, um die Gefahr in der Nachbarschaft solcher Seewege zu erkennen. Was Piraten am Golf von Aden angerichtet haben, ist bekannt.

Wenn es dem IS gelingt, seine Bündnisse in Südostasien auszubauen, bedroht das aber nicht nur die Schifffahrt. Terroristen versuchen, fein ausbalancierte, gewachsene multireligiöse Gesellschaften aus dem Gleichgewicht zu bringen, sie lassen Hass keimen, um einen Prozess der Selbstzerstörung anzustoßen. Noch wirkt Südostasien recht stabil, umso mehr hat es aber auch zu verlieren, wenn der Terror weiteren Raum erobert.

Indonesien, Malaysia, Philippinen: Das sind aufstrebende Länder, in denen europäische Firmen beste Geschäfte machen. Die Staaten verzeichnen ein beeindruckendes Wachstum. Davon profitiert der Westen enorm, auch wenn Europa den Nutzen in Zeiten intensiver Nabelschau - vom Brexit über die Flüchtlinge bis hin zu Griechenland - nicht immer sieht.

Der in Nahost bedrängte IS will einen Brückenkopf in Südostasien aufbauen. Und er fasst Fuß, vor allem im Süden der Philippinen. Experten streiten, wie stark der Einfluss des IS ist, die Gebiete sind gefährlich, Informationen schwer zu verifizieren. Doch der Radius und die Aggressivität der Attacken im Namen des IS nehmen zu. Unter den getöteten Kämpfern auf Mindanao fanden sich Extremisten aus Indonesien und Malaysia. Die Gruppen vernetzen sich, die Übergänge zwischen Banditentum und Separatismus, Piraterie und islamistischem Terror sind oft fließend. Doch mit dem IS gewinnt die Bedrohung eine Dimension, die weit über die Grenzen der Philippinen hinausreicht.

Europa hat, nüchtern betrachtet, wenig politischen Einfluss in diesem Teil der Welt, hier sind die USA, Australien und China gefragt. Sie müssen mit den betroffenen Ländern eine übergreifende Strategie gegen den Terror entwickeln. Dazu gehört auch, Hassprediger stärker zu überwachen. In Indonesien ist dies ein völlig unterschätztes Problem.

Wohlstand und Arbeit bleiben wichtige Ziele, sie verschaffen jungen Leuten eine Perspektive, die sie vor Rekrutierungsversuchen durch Terrorpaten abschirmt. Am Ziel einer breiten Entwicklung können die Europäer mitwirken. Wenn es gelingt, die Bande nach Südostasien enger zu knüpfen, wäre das, um ein chinesisches Lieblingswort aufzugreifen, eine Win-win-Situation. Und ein großer Schritt zur Eindämmung des Terrors.

© SZ vom 27.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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