Südkorea:Wenn die Staatschefin Unternehmen Schutzgeld zahlen lässt

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Park Geun-hye bei ihrem Verfahren im August 2017. Der Urteilsverkündung blieb sie nun fern. (Foto: AP)
  • Die Ex-Präsidentin Südkoreas, Park Geun-hye, ist zu 24 Jahren Haft verurteilt worden.
  • Sie hat unter anderem Unternehmen zu schutzgeldartigen Zahlungen genötigt und Kritiker erpresst.
  • Konservative finden das Urteil zu hart. Doch das Gericht wollte mit seiner Strenge demonstrieren, dass in Südkorea heute die Maßstäbe des Rechtsstaates gelten.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Die Verurteilung der ehemaligen Staatspräsidentin Park Geun-hye zu 24 Jahren Gefängnis zieht den Schlussstrich unter eine Epoche Südkoreas. Mit der Tochter des früheren Militärdiktators Park Chung-hee geht jene Elite unter, die ihre Wurzeln, ihr Selbstverständnis und ihren Machtanspruch noch aus der Diktatur herleitete.

Teile dieser Elite haben bis heute nicht akzeptiert, dass Südkorea ein Rechtsstaat ist. Sie wollten das Konzept der Gewaltentrennung nie verstehen und fanden es in Ordnung, dass die Politik mit den Bossen der großen Wirtschaftskonglomerate kungelte. Dieser Filz hat geholfen, Südkorea schneller zu industrialisieren als jedes andere Land. Was kann daran also schlecht sein? Diese Elite in der Politik und in der Wirtschaft behandelte das Land oft wie Feudalherren ihre Privatpfründe.

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Park wurde in 16 von 18 Anklagepunkten des Machtmißbrauchs, der Nötigung und der Bestechung für schuldig befunden. Sie hat ihrer bereits verurteilten Freundin Choi Soon-sil geheime Staatsdokumente zugespielt und die Entlassung von Beamten durchgesetzt, die Kritik über ihre Politik geäußert hatten. Außerdem hat sie dem Gericht zufolge eine schwarze Liste von oppositionellen Künstlern anlegen lassen.

In seiner Urteilsbegründung unterstrich Gerichtspräsident Kim Se-yoon, wenn eine Staatspräsidentin die Bosse von Südkoreas Wirtschaftskonglomeraten wie Samsung und Lotte bitte, abstrusen Sporthilfe-Stiftungen Milliarden Won zu zahlen, dann sei das angesichts ihre Position eine Nötigung.

Die Institutionen haben in der Krise bewiesen, dass sie funktionieren

Park, die auf ihre Unschuld beharrt, weigerte sich, an der Urteilsverkündung teilzunehmen. Das Verfahren gegen sie sei ein politischer Rachefeldzug.

Sie hat eine Woche Zeit, Berufung einzulegen. In einer Neuverhandlung könnte das Strafmaß verringert werden. Angesichts der detailliert belegten Intrigen, mit denen sie Choi half, sich illegitim zu bereichern, ist eine massive Reduktion der Strafe jedoch kaum vorstellbar. Park und Choi haben Samsung, Lotte und weitere Unternehmen wie kleine Schutzgelderpresser angebaggert.

Konservative Kommentatoren in Südkorea halten das Urteil für zu streng, das Gericht sei von einem Idealbild des Staates ausgegangen. Zumal sich Park, anders als die meisten früheren Präsidenten, nicht persönlich bereichert hat. Ihr Vorgänger Lee Myung-bak sitzt derzeit wegen Bestechungsverdacht in Untersuchungshaft. Das Gericht wollte mit der Strenge seines Urteils demonstrieren, dass in Südkorea heute die Maßstäbe des Rechtsstaats gelten.

Südkorea ist eine junge Demokratie. Seine Militärdiktatur ist nur zwei Jahre vor den kommunistischen Regimen in Ungarn und Polen zusammengebrochen. Gemessen an ihnen hat sich das Land zur Vorzeige-Demokratie entwickelt. Seine Institutionen haben mit Parks Absetzung und ihrer Verurteilung bewiesen, dass sie auch in einer Krise funktionieren - angesichts des Strafmaßes vielleicht etwas zu gut funktionierten, indem sie über das Ziel hinausschossen.

Wenn Park und Lee Myung-bak sich nun beschweren, ihre Strafverfolgung sei eine politische Rache, zeigen sie vor allem, dass sie den Rechtsstaat noch immer nicht internalisiert haben, sondern sich über den Gesetzen wähnen. Völlig unrecht haben sie gleichwohl nicht. In Südkorea gibt es durchaus Rachegefühle. Wenn Lee mitten in der Nacht durch ein endloses Spalier von Kameras zum Verhör geführt wird, oder wenn die Urteilsverkündung gegen Park live vom Fernsehen übertragen wird, denn hat das durchaus einen Beigeschmack von Vergeltung.

Das Urteil gegen Park ist auch ein Verdikt über Südkoreas politische Struktur seit dem Übergang zur Demokratie 1987. Der Präsident ist zu mächtig, man spricht von einer "imperialer Präsidentschaft", das ist ebenfalls noch ein Erbe der Diktatur. Moon Jae-in, der gegenwärtige Amtsinhaber, will deshalb die Verfassung ändern und dem Premier oder dem Parlament mehr Macht übertragen. Damit würde der Epochenwechsel endgültig vollzogen.

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