Südkorea:Noch einmal 18 sein

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Südkorea berechnet bisher das Lebensalter auf drei verschiedene Arten. Nun wird das geändert - eine komplizierte Angelegenheit.

Von Thomas Hahn, Tokio

Neujahr war diesmal besonders interessant für Oh Hyeon-seo aus Gwangju. Nach Lesart der südkoreanischen Behörden wurde sie am 1. Januar nämlich 19 Jahre alt und damit berechtigt, Alkohol zu trinken - obwohl sie erst am 13. Oktober ihren 19. Geburtstag feiern wird. Zum Jahreswechsel gab es für die Studentin also zum ersten Mal Soju, Reisschnaps. Doch von Juni an ist es schon wieder vorbei mit der neuen Freiheit für Oh Hyeon-seo, denn dann greift in Südkorea eine Reform zur Berechnung des Lebensalters: "Ab Juni werde ich bis zu meinem Geburtstag im Oktober nicht mehr trinken dürfen", teilt sie der SZ über das soziale Netzwerk Instagram mit. Weil sie dann für ein paar Monate wieder 18 sein wird. Klingt kompliziert? "Für mich auch", schreibt Oh Hyeon-seo und schickt ein Lach-Emoji dazu.

Südkorea ist stolz darauf, anders zu sein, das schärft die nationale Identität. Das Land muss neben China bestehen und eine Vergangenheit unter japanischer Kolonialherrschaft verwinden. Also pflegt es seine kulturellen Eigenheiten wie die Tracht Hanbok oder das Gericht Kimchi. Aber manchmal ist das Anderssein auch umständlich. Die Studentin Oh Hyeon-seo stimmt zu. "Ich habe nachgeschaut und herausgefunden, dass mein Alter in drei Kategorien unterteilt werden kann", schreibt sie der SZ: koreanisches Alter, Kalender-Alter, internationales Alter. Je nach gewählter Methode ist sie 18, 19 oder 20 Jahre alt.

Die verschiedenen Arten der Altersberechnung würden nur Streit und Verwirrung bringen, hat nun der südkoreanische Präsident Yoon Suk-yeol erkannt, daher werden sie dieses Jahr abgeschafft. Man wolle "unnötige sozioökonomische Kosten reduzieren", sagte der Präsident. Von Juni an zählt auch in Südkorea nur noch das internationale Alter, der Weltstandard, wonach ein Mensch so alt ist wie die Zahl der Lebensjahre, die er vollendet hat.

Das koreanische Alter hingegen beginnt bei der Geburt mit eins und erhöht sich bei jedem Jahresbeginn. Ein Baby, das am 31. Dezember zur Welt kommt, wird also am 1. Januar zwei. Der Geburtstag wird zwar gefeiert, aber spielt für das Alter keine Rolle. Beim Kalender-Alter beginnt das Leben mit null, das Baby vom 31. Dezember wird demnach am 1. Januar eins. Südkoreas Behörden bestimmen damit die Altersgrenzen bei Jugendschutz oder Wehrpflicht. Es gibt Theorien zu den Ursprüngen der koreanischen Alterszählung. Eine besagt, dass die alten Koreaner die Zeit im Mutterleib als erstes Lebensjahr zählten. Andere sagen, dass man in Asiens Antike die Null nicht kannte.

Wie auch immer: Damit ist bald Schluss. Doch vor der Klarheit herrscht Unklarheit. Es gibt zum Beispiel Covid-19-Impfstoffe, für die man mindestens 30 Jahre alt sein sollte. International 30? Oder koreanisch 30? Wird man im Mai mit etwas geimpft, für das man ab Juni noch gar nicht alt genug ist? Es hat Folgen, wenn man plötzlich ein bis zwei Jahre jünger wird. Oh Hyeon-seo hofft auf mehr Information. Dass sie von Juni an vier Monate warten muss, bis sie offiziell wieder Alkohol konsumieren darf, ist dabei aber kein Problem. Das Bier, das sie am 2. Januar probierte, hat sie nicht mal ausgetrunken: "Es ist nicht köstlich."

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