Staatskrise:Machtkampf im Sudan: Ärzte melden Dutzende Tote

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Feuergefechte in Sudans Hauptstadt Khartum. (Foto: -/AFP)

In der Hauptstadt Khartum kommt es zu schweren Gefechten zwischen Armee und Paramilitärs. Wer zurzeit die Oberhand hat, ist unklar.

Die schwere Staatskrise mit erbitterten Kämpfen zwischen Armee und Paramilitärs im Sudan lässt das nordostafrikanische Land immer tiefer im Chaos versinken. Ärzten zufolge gab es keine 24 Stunden nach Ausbruch der Gefechte schon Dutzende Tote und Hunderte Verletzte zu beklagen - Tendenz weiter steigend. Der UN-Sicherheitsrat forderte alle Konfliktparteien auf, das Blutvergießen zu beenden und Gespräche zur Beendigung der Krise aufzunehmen. Außerdem müssten humanitäre Helfer sicheren Zugang bekommen und UN-Mitarbeiter vor Angriffen geschützt werden, forderte das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen am Sonntagmorgen.

Hintergrund des Gewaltausbruchs ist ein erbitterter Machtkampf zwischen dem sudanesischen Machthaber General Abdel Fattah al-Burhan und seinem Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo, Anführer der bewaffneten Rapid Support Forces (RSF). Der Konflikt in dem Land mit 46 Millionen Einwohnern wuchs sich am Samstag binnen weniger Stunden zu heftigen Gefechten zwischen der Armee und der wichtigen paramilitärischen Gruppe aus. Aus der Hauptstadt Khartum wurde unter anderem Artilleriebeschuss gemeldet, außerdem gab es Berichte über Luftangriffe der sudanesischen Luftwaffe auf Stützpunkte der RSF. Wer in Khartum zurzeit die Oberhand hat, ist unklar.

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Eine sudanesische Ärzte-Organisation teilte am frühen Sonntagmorgen über Twitter mit, es gebe mindestens 56 zivile Todesopfer zu beklagen und Dutzende getötete Soldaten. Außerdem seien in Krankenhäusern und anderen Versorgungsstellen knapp 600 Verletzte gezählt worden, von denen Dutzende in Lebensgefahr schwebten. Die Organisation rief zu einer sofortigen Waffenruhe auf, um das Leben unschuldiger Menschen zu schützen und Verletzte behandeln zu können.

Seit dem Sturz des Langzeitmachthabers Omar al-Baschir 2019 und einem weiteren Putsch gegen eine daraufhin eingesetzte - faktisch aber vom Militär kontrollierte - Zivilregierung 2021 hat die Armee die Kontrolle im Sudan. An dem Putsch vor zwei Jahren waren auch die RSF beteiligt. Im Zuge des geplanten Übergangs zu einer zivilen Regierung sollten die Paramilitärs in die regulären Streitkräfte eingegliedert werden, was zu Spannungen führte. Daglo unterstellt al-Burhan, sein Amt als De-Facto-Staatschef nicht aufgeben zu wollen und sich entgegen aller Absprachen an die Macht zu klammern.

Die RSF behaupteten am späten Samstagabend bei Twitter, 90 Prozent der vom Militär kontrollierten Gebiete im Sudan erobert zu haben und in die Kommandozentrale der Armee eingedrungen zu sein. Die Armee wies dies als Falschbehauptung zurück.

UN, EU und USA fordern Ende der Gewalt

Die Eskalation der Gewalt löste weltweit Besorgnis aus. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock zeigte sich "entsetzt". "Beide Seiten müssen die Kampfhandlungen einstellen und weiteres Blutvergießen verhindern", schrieb die Grünen-Politikerin auf Twitter. Auch der UN-Generalsekretär António Guterres forderte die Konfliktparteien auf, "die Feindseligkeiten unverzüglich einzustellen, die Ruhe wiederherzustellen und einen Dialog zur Lösung der aktuellen Krise einzuleiten". Guterres telefonierte am Samstagabend mit RSF-General Daglo. US-Außenminister Antony Blinken und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell forderten ein Ende der Gewalt. Der UN-Sicherheitsrat betonte in einer Stellungnahme das Ziel der "Einheit, Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Integrität der Republik Sudan".

Al-Burhan hatte dem RSF am Samstag in einem Interview des Fernsehsenders Al-Dschasira Angriffe auf strategische Ziele und auf sein Haus vorgeworfen. RSF-Anführer Daglo forderte, al-Burhan und seine Verbündeten vor Gericht zu stellen. Sein Rivale sei schuld an dem Konflikt und werde entweder gefangen genommen "oder wie ein Hund sterben", sagte Daglo ebenfalls bei Al-Dschasira. Das Militär verbreitete eine Stellungnahme über Facebook, in der es hieß, Verhandlungen mit den RSF werde es nicht geben, die Gruppe müsse sich auflösen.

Kampffahrzeuge und Soldaten auf den Straßen Khartums. (Foto: MOHAMMADKHAIR ABDUALRHMAN/via REUTERS)

Die RSF hatten vor wenigen Tagen ihre Einheiten mobilisiert, nachdem das Militär die Ernennung eines Premierministers und damit die Machtübergabe erneut verzögert hatte. Beobachter werteten die Mobilisierung als Drohgebärde Daglos gegen den Oberbefehlshaber al-Burhan. Zuletzt hatte sich Daglo für einen schnellen Übergang zu einer Zivilregierung ausgesprochen und sich damit in Opposition zu al-Burhan gestellt.

Die RSF hatten sich 2013 aus Milizen im westlichen Bundesstaat Darfur zusammengeschlossen. Bei dem jahrzehntelangen Konflikt dort galten sie als brutal agierende Unterstützer der arabisch dominierten Regierung, die gewaltsam gegen die afrikanische Minderheit vorgingen. Die Gruppe und ihr Anführer Daglo wurden für Massenvergewaltigungen und andere schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht.

Nach dem Sturz von Machthaber al-Baschir 2019 galt Daglo als mächtigster Mann im Sudan. Die Regierungsgeschäfte übernahm aber al-Burhan, der Generalinspekteur der sudanesischen Streitkräfte. Dieser revanchierte sich bei Daglo und verzichtete zunächst darauf, die RSF in das staatliche Militär einzugliedern. Daglo wurde al-Burhans Stellvertreter im regierenden Übergangsrat.

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