Welcher Bundestagsabgeordnete verdient am meisten? Ist es Peter Gauweiler, der Euro-Rebell aus der CSU, der seine Abgeordnetendiät in Höhe von knapp 8000 Euro mit 36 Anwaltshonoraren der Stufe III - also mehr als 7000 Euro - aufgebessert hat? Oder ist es sein Parteifreund Michael Glos, der in zwei Aufsichtsräten sitzt und zwei Unternehmen berät? Die derzeit gültige Regelung zur Angabe von Nebenverdiensten verrät das nicht.
Im Hamburger Büro von Abgeordnetenwatch.de glühen daher derzeit die Taschenrechner. Die Transparenz-Spezialisten sind gefragte Leute, seit Peer Steinbrück in den Wahlkampf eingetreten ist. Der SPD-Kanzlerkandidat hat mindestens 560.000 Euro mit Vorträgen nebenherverdient und dafür zum Teil "Bundestagssitzungen geschwänzt", wie Gregor Hackmack von Abgeordnetenwatch.de sagt. Er nennt Steinbrück ein "schwarzes Schaf". Gleichzeitig muss er ihm dankbar sein: Wegen Steinbrück wird in der Bundespolitik wieder über Nebeneinkünfte diskutiert.
Steinbrück steht im Zentrum der Debatte, am Sonntagabend hat er verkündet, einen unabhängigen Wirtschaftprüfer beauftragt zu haben, um die "wahnsinnigen Spekulationen" um seine Verdienste zu beenden. Aber das Problem, das Aktivisten wie Hackmack sehen, geht weit über den SPD-Kanzlerkandidaten hinaus.
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück:Der Anti-Parteisoldat
"Die SPD, die mich aufstellt, muss erst noch erfunden werden": Damit lag Peer Steinbrück falsch. Der große Absturz fand nicht statt, die Sozialdemokraten legten unter seiner Führung sogar ein bisschen zu. Ein unkomplizierter Spitzenmann ist er für seine Partei trotzdem nicht gewesen.
"Grundsätzlich zulässig"
Knapp ein Drittel aller Bundestagsabgeordneten stockt auf, nach Angaben von Abgeordnetenwatch.de 192 von 619 Parlamentariern. 36 Prozent der Männer und 22 Prozent der Frauen haben sich etwas dazuverdient, insgesamt mindestens 22,5 Millionen Euro. Das ist völlig legal: "Tätigkeiten beruflicher und anderer Art neben dem Mandat sind grundsätzlich zulässig", heißt es im Abgeordnetengesetz.
Wenn sie dabei jedoch mehr als 1000 Euro im Monat oder 10.000 Euro im Jahr verdienen, müssen die Politiker die Tätigkeiten öffentlich machen. Die Angabe erfolgt schrittweise: Stufe I umfasst Nebeneinkünfte von 1000 bis 3500 Euro, Stufe II reicht bis 7000 Euro. Wer einmal oder regelmäßig monatlich mehr verdient, gibt seine Nebeneinkunft als Stufe III an.
Dabei sind Verdienste von 7000 Euro und mehr laut offizieller Statistik die Regel. 126 der 192 Nebenverdienstler haben Einkünfte der Stufe III angegeben. Bei Stufe II sind es nur 16, in Stufe I sind es 50.
Steinbrück ist dadurch aufgefallen, besonders viele Stufe-III-Honorare kassiert zu haben. Für die Konkurrenz war das eine willkommene Gelegenheit, den SPD-Kanzlerkandidaten im Wahlkampf zu begrüßen. Von einem "Fehlstart" sprach CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Sein CSU-Pendant Alexander Dobrindt warf dem SPD-Mann eine "Salami-Taktik" und unglückliches Verhalten vor.
Die Steinbrück-Fans in der SPD schossen zurück und nannten Schwarz-Gelb hinter vorgehaltener Hand eine "verlogene Bande", die selbst ordentlich hinzuverdiene. Tatsächlich sind die Bürgerlichen weit vorne dabei, wenn es um Nebentätigkeiten geht. Die Statistik zeigt: 55 Prozent der CSU-Abgeordneten haben Einkünfte der Stufen I bis III angegeben. Bei der CDU sind es 43 Prozent, die FDP liegt mit 41 Prozent knapp dahinter.
Leicht verfälscht werden die Werte dadurch, dass auch Amtsgehälter als Nebeneinkünfte angegeben werden müssen, was die Regierungsparteien besonders betrifft. So gibt die CDU-Abgeordnete Angela Merkel "Bundeskanzlerin" als Stufe-III-Verdienst an - sie verdient als Kanzlerin etwa 16.500 Euro im Monat zusätzlich zu ihrer Diät. Auch Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre müssen ihr Gehalt so angeben.
Trotz dieser Unschärfe sehen SPD und Linke im Vergleich bescheiden aus: Nur 19 Prozent ihrer Abgeordneten gaben Nebeneinkünfte an.
Eine von Abgeordnetenwatch.de angefertigte Top-10-Liste der Nebenverdiener führt Peer Steinbrück auf Platz eins, gefolgt von neun Politikern aus dem bürgerlichen Lager: Michael Glos und Heinz Riesenhuber von der CSU; Rudolf Henke, Frank Steffel, Peter Wichtel, Franz-Josef Holzenkamp, Norbert Schindler und Michael Fuchs von der CDU sowie Patrick Döring von der FDP.
Die geringste Zahl der Abgeordneten mit Nebeneinkünften haben die Grünen vorzuweisen: neun Prozent. So kann Grünen-Fraktionschefin Renate Künast (ein Stufe-I-Honorar als Autorin beim Buchverlag Herder 2009) bedenkenlos die Vorkämpferin geben: Es müsse endlich mehr Transparenz her, forderte sie. Ihre Partei kämpfe schon seit Jahren dafür.
Tatsächlich gab es immer wieder Versuche, die Offenlegung der Nebeneinkünfte neu zu regeln. Sie richteten sich vor allem gegen die bisherige Stufenregelung, die Transparenz bei hohen Honoraren eher verhindert: Ob ein Politiker 7500 Euro oder 750.000 Euro verdient - beide Honorare fallen in Stufe III.
Schilys Vermächtnis
Im April 2011 hatte es so ausgesehen, als könnten sich Opposition und Koalition auf einen Kompromiss einigen: Statt drei sollte es künftig sieben Stufen geben - von 10.000 bis mehr als 150.000 Euro. Weniger als 10.000 Euro hätten nicht angegeben werden müssen - was SPD, Grüne und Linke nicht mittragen wollten. Statt sich zu einigen, vertagte die zuständige Rechtsstellungskommission des Ältestenrates die Diskussion.
Dank Steinbrück ist das Thema nun wieder auf der Agenda. Bereits in der kommenden Woche könne der Bundestag die Offenlegung aller Einkünfte beschließen, sagte SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber. Doch Einigkeit ist weiterhin nicht in Sicht, auch innerhalb der Parteien gibt es Zwist. Während Kelber beklagt, Schwarz-Gelb habe 2009 einen entsprechenden Gesetzesentwurf abgelehnt, verweist die Konkurrenz auf eine Klage, die im selben Jahr das Bundesverwaltungsgericht beschäftigte.
Zwei Parlamentarier hatte damals gegen die Offenlegungspflicht von Bundestagsabgeordneten geklagt. Ihre Namen: Otto Schily und Volker Kröning, beide SPD.