Streit um Betreuungsgeld:Allein auf die Uneinigkeit ist Verlass

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Der Streit in der Koalition um das Betreuungsgeld verläuft nach der Schlappe im Bundestag chaotischer denn je. Während Seehofer offen droht, ein Scheitern des Projektes nicht hinzunehmen, überstürzen sich die Liberalen mit unkoordinierten Äußerungen.

Nico Fried

Am vergangenen Montag saßen die drei Vorsitzenden der schwarz-gelben Koalitionsparteien im Kanzleramt zusammen. Alles dufte, so lautete hinterher die Botschaft. Die Atmosphäre zwischen Angela Merkel, Horst Seehofer und Philipp Rösler wurde als konstruktiv, entspannt und freundschaftlich beschrieben.

Keine Woche später nutzte der FDP-Chef die erste Gelegenheit, um die CSU wieder zu provozieren: Nach der abgebrochenen Bundestagssitzung vom Freitag und der Verschiebung des Gesetzgebungsverfahrens für das Betreuungsgeld in den Herbst schlug Rösler am Wochenende vor, die Zeit zu nutzen, "um in Ruhe darüber zu sprechen, welche Veränderungen noch notwendig sind". Horst Seehofers Reaktion kam postwendend: "Das kann sich die FDP abschminken." Alles also wie gehabt in der sogenannten bürgerlichen Koalition: konstruktiv, entspannt und freundschaftlich.

Horst Seehofers Nervenkostüm hat einiges auszuhalten dieser Tage. Natürlich war er der eigentliche Verlierer vom Hammelsprung-Fiasko Ende vergangener Woche. Seit Monaten führt er mit der CSU den Kampf für das Betreuungsgeld an, bei dem viele Koalitionäre von CDU und FDP mit wenig Begeisterung an der Seitenlinie stehen. Doch als die Opposition aus SPD, Grünen und Linken am Freitag mit einem parlamentarischen Kniff die Einbringung des Gesetzentwurfs verhinderte, war Seehofer machtlos. Der bayerische Ministerpräsident war zwar in Berlin, saß aber im Bundesrat, mithin quasi im falschen Parlament, als ihn aus dem Bundestag die Kunde vom Sitzungsabbruch wegen Beschlussunfähigkeit erreichte. Spontan ließ der CSU-Chef seinem Zorn freien Lauf: "Demokratiezersetzend" sei das Verhalten der Opposition gewesen, schimpfte Seehofer.

Mit zunehmender Distanz vom Geschehen konzentrierte sich Seehofer dann im Laufe des Wochenendes wieder auf jene, denen die Opposition eigentlich egal sein kann, wenn die Mehrheiten ordentlich organisiert werden: Die eigene Partei und die eigene Koalition. Beim Parteitag der oberbayerischen CSU in Schrobenhausen ermahnte er seine Leute zur Präsenz im Bundestag "bis zur letzten Minute". Denn auch Seehofer war mittlerweile zu Ohren gekommen, dass weit über 100 Abgeordnete von CDU und CSU beim Coup der Opposition am Freitag nicht mehr im Bundestag waren. In 28 Jahren habe er so etwas nicht erlebt, sagte Seehofer. "Das ist kein verantwortliches Verhalten eines Parlamentariers."

An die Partner von CDU und FDP wandte sich Seehofer - möglicherweise in Erinnerung an den durchschlagenden Erfolg seines Interviews zur Causa Norbert Röttgen - mittels überregionalem Fernsehen. Vor einer Kamera der ARD drohte Seehofer am Samstag: "Ich sage auch im Auftrag meiner ganzen Partei: Die CSU würde ein Scheitern des Betreuungsgeldes nicht hinnehmen. Und die Stimmen der CSU sind in dieser Koalition notwendig."

Daran kann kein Zweifel bestehen. Allerdings gibt es noch mehr, was in dieser Koalition notwendig wäre. Zum Beispiel mal eine ordnende Hand. In der FDP jedenfalls brach nach dem Hammelsprung-Freitag das große Chaos aus. Parteichef Rösler forderte in der Bild am Sonntag, dass eine gleichzeitige Auszahlung von Elterngeld und Betreuungsgeld vermieden werden solle. Der Sprecher des Familienministeriums reagierte darauf mit dem Hinweis, dass die ebenfalls der FDP zugehörige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in der Ressortabstimmung des Gesetzentwurfes genau das gefordert hatte.

Christian Lindner wiederum, liberaler Wahlheld aus Nordrhein-Westfalen, sieht nun noch einmal ausreichend Zeit, "sich um eine seriöse Gegenfinanzierung zu kümmern". Für FDP-Vorstandsmitglied Cornelia Pieper dagegen ist jetzt schon alles zu spät: Sie kündigte an, das Betreuungsgeld im Bundestag abzulehnen. Es sei aus "haushalts- und bildungspolitischer Sicht unverantwortlich", sagte Pieper dem Focus.

Auch die zuständige Ministerin äußerte sich. Kristina Schröder (CDU) sagte auf dem Landesparteitag der hessischen CDU in Darmstadt: In Deutschland gebe es einen Konsens, dass Kinder ab drei Jahren vom Kindergarten profitierten. Beim Betreuungsgeld gehe es aber um die Ein- und Zweijährigen. Da seien Rahmenbedingungen und Wertvorstellungen der Familien verschieden. Die Wahl, Kinder zu Hause zu erziehen, müsse unterstützt werden.

Die Koalition hat also noch viel zu besprechen. Wahrscheinlich macht sie's wie immer: konstruktiv, entspannt und freundschaftlich.

© SZ vom 18.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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