Streit um Arbeitslosenbeiträge:Die Last der Steuersenkung

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Die CSU spricht von Zynismus, die Wirtschaft warnt vor negativen Effekten auf die Beschäftigung: An der Idee der CDU, Steuersenkungen mit höheren Abgaben zu finanzieren, wächst die Kritik.

Steuern runter und stattdessen Sozialabgaben rauf? Die Regierungsparteien streiten um den Vorstoß von Unions-Haushaltspolitikern, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung kräftig zu erhöhen. FDP und CSU kritisieren die Pläne scharf, Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) spricht gar von Zynimus, Kritik kommt auch von den Wirtschaftsverbänden.

Höhere Arbeitslosenbeiträge für niedrigere Steuern: An dem vorsichtigen Vorstoß von Seiten der Union wächst die Kritik aus den eigenen Reihen. (Foto: Foto: ddp)

"Wenige Tage, nachdem die Steuerentlastungen für kleine Einkommen und Familien beschlossen sind, das Ansinnen zu äußern, die gleichen Bürger mit höheren Abgaben zu belasten, wirkt geradezu zynisch und wie ein Programm zur Förderung der Politikverdrossenheit", sagte Haderthauer der Passauer Neuen Presse. "Das ist Politik nach dem Motto: 'rechte Tasche - linke Tasche'", kritisierte die CSU-Politikerin.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wird in der Koalition erwogen, den Versicherungsbeitrag von derzeit 2,8 Prozent ab dem Jahr 2011 auf bis zu 4,5 Prozent anzuheben. Anders seien die schwarz-gelben Steuersenkungen nicht zu finanzieren. Das brächte pro Jahr zwischen acht und zwölf Milliarden Euro ein. Der Haushaltsexperte der Unionsfraktion, Norbert Barthle (CDU), hatte eine Erhöhung ausdrücklich nicht ausgeschlossen.

Die Wirtschaftsverbände laufen gegen solche Überlegungen Sturm. Ein Anstieg "würde letztlich die Arbeit in unserem Land verteuern und damit Arbeitsplätze gefährden", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben, der Frankfurter Rundschau.

Negative Auswirkung auf die Beschäftigung

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt erklärte, er könne nicht glauben, dass solche Erwägungen "ernsthaft" angestellt würden. Schließlich habe sich Schwarz-Gelb im Koalitionsvertrag zu stabilen Lohnnebenkosten bekannt: "Ich gehe davon aus, dass die Koalition bei ihrer beschlossenen, richtigen Linie bleibt", sagte er. Jede weitere Erhöhung der Sozialabgaben hätte "negative Auswirkungen" auf die Beschäftigung.

Auch der Geschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Holger Schwannecke, warnte, jede weitere Belastung des Faktors Arbeit würde den erhofften "Beschäftigungsaufbau im Aufschwung abwürgen". Krisenbedingte Mehrausgaben in der Arbeitslosenversicherung müssen deshalb aus Steuern und nicht aus Beiträgen finanziert werden, forderte er.

Auch in der Koalition wächst die Kritik gegen solche Pläne: Für die FDP kommen höhere Arbeitslosenversicherungsbeiträge nur bei entsprechender Entlastung an anderer Stelle in Frage. Die FDP- Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger erinnerte in der Berliner Zeitung daran, dass Union und FDP in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart hätten, die paritätische finanzierten Lohnzusatzkosten dauerhaft unter 40 Prozent zu halten. "Dabei bleibt es", sagte Homburger.

Der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn plädiert dafür, notfalls auf die geplanten Steuersenkungen zu verzichten, um die Sozialbeiträge stabil zu halten. "Wenn wir uns entscheiden müssten, Steuern zu senken oder Sozialabgaben stabil zu halten, würde ich sehr dafür plädieren, unseren Schwerpunkt auf die Entwicklung der Sozialabgaben zu legen", sagte Spahn der Berliner Zeitung.

Jeder abhängig Beschäftigte zahle schließlich vom ersten Euro an Sozialversicherungsbeiträge und werde dadurch stark belastet. "Insofern haben gerade Gering- und Normalverdiener auch mehr davon, wenn wir die Sozialsysteme über Steuerzuschüsse entlasteten, als von Steuersenkungen", argumentierte Spahn.

Baden-Württemberg für Verschiebung der Steuerreform

Baden-Württembergs Finanzminister Willi Stächele (CDU) schlägt angesichts der hohen Schuldenlasten eine Verschiebung der von der schwarz-gelben Koalition geplanten großen Steuerreform vor: "Die wichtigste Aufgabe für die Politik in den kommenden Jahren ist die Haushaltskonsolidierung´", sagte Stächele der Frankfurter Rundschau. Es sei daher "denkbar, die Steuerreform zum Abbau der kalten Progression erst nach 2011 anzugehen". Gebraucht würden jetzt "Sparvorschläge und nicht großspurige Versprechen für weitere Steuersenkungen".

Der Vorsitzende der CSU-Mittelstands-Union, Hans Michelbach, kritisierte die Blockade-Drohung Stächeles scharf. "Das schlechte Beispiel Schleswig-Holsteins darf nicht Schule machen", betonte er mit Blick auf den wochenlangen Poker für eine Bundesrats-Mehrheit für das erste Steuerpaket der Koalition. Es war nach dem Einlenken Schleswig-Holsteins am 18. Dezember vom Bundesrat beschlossen worden und entlastet Familien, Erben, Unternehmen und Hoteliers ab 1. Januar 2010 um bis zu 8,5 Milliarden Euro pro Jahr.

Michelbach warnte davor, Sozialabgaben und Steuerreform gegeneinander auszuspielen. Alle müssten sich bewusst sein, dass höhere Sozialabgaben eine Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit seien und Arbeitsplätze bedrohten, sagte Michelbach am Donnerstag in München. Union und FDP hätten vereinbart, die Sozialabgaben unter 40 Prozent zu halten. Daran dürfe nicht gerüttelt werden.

© dpa/AFP/hai/mati - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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