Straßenverkehr:Viele Unfälle wegen Handy am Steuer

Lesezeit: 2 min

Eine Langzeitstudie beweist: Wer am Lenkrad mit Smartphones hantiert, hat ein dreifach erhöhtes Risiko zu verunglücken.

Von Christoph Behrens, München

Smartphones sind die Ursache vieler Unfälle im Straßenverkehr. Zu diesem Schluss kommt eine Langzeitstudie aus den USA. Wer als Autofahrer mit einem Handy hantiert, hat demnach ein mehr als dreifach erhöhtes Unfallrisiko. Gut zehn Prozent der Fahrzeit sind Menschen am Steuer mit der Bedienung elektronischer Geräte beschäftigt. Hinzu kommen andere Tätigkeiten wie Essen oder Schminken. Weniger als die Hälfte der Zeit verbringen Autofahrer bei voller Konzentration auf den Verkehr. Auf Deutschland übertragen bedeuten die Zahlen, dass wahrscheinlich 50 000 Unfälle im Jahr passieren, weil Fahrer mit Smartphones hantieren.

"Abgelenkte Autofahrer sind eines der großen Unfallrisiken im Straßenverkehr", kommentierte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt die Studie: "Wer auf der Autobahn eine SMS tippt, ist im Blindflug unterwegs." Schärfere Strafen gegen Handynutzung am Steuer will das Ministerium aber nicht fordern. Kontrollen und Verbote könnten das Problem nicht allein lösen, wichtig sei Aufklärungsarbeit, hieß es. Der ADAC forderte angesichts der Ergebnisse, Ablenkung durch Handys stärker in den Fahrschulen zu thematisieren.

Die aktuelle Studie der Universität Virginia liefert erstmals genaue Einblicke in die Gefahren elektronischer Geräte am Steuer. Die Forscher haben das Fahrverhalten von 3500 Autofahrern aller Altersklassen drei Jahre lang analysiert. Sie werteten Fahrtenschreiber, Tonbänder und Videoaufnahmen von 56 Millionen gefahrenen Kilometern aus. Dabei passierten etwa 900 Unfälle. Das Schreiben einer SMS erhöhte das Unfallrisiko auf das Sechsfache, das Eingeben von Telefonnummern stufen die Forscher mit einem zwölffachen Risiko ein. Auch die Bedienung des Navigationssystems während der Fahrt erhöht die Unfallgefahr signifikant. Insgesamt machen die US-Forscher abgelenkte Fahrer für jeden dritten Unfall verantwortlich.

Die deutschen Behörden erfassen Ablenkung als Unfallursache bislang nicht. Doch die soeben in der Fachzeitschrift PNAS veröffentlichte Studie zeichnet ein klares Bild: Technische Defekte wie Bremsversagen oder ein platter Reifen sind nur noch für jeden tausendsten Unfall verantwortlich. Menschliches Versagen wie Müdigkeit, eingeschränkte Fahrtüchtigkeit oder Ablenkung spielt bei neun von zehn Unfällen eine Rolle. "Wir beobachten viele jüngere Fahrer, die anfälliger für ablenkende Aktivitäten beim Fahren sind", erklärt der Verkehrswissenschaftler Tom Dingus von der Universität Virginia.

Die Nutzung elektronischer Geräte im Auto könnte einen Trend erklären: Lange Zeit ging die Zahl tödlicher Verkehrsunfälle in Industrieländern wie den USA und Deutschland zurück, doch der Trend ist gestoppt. In Deutschland ist laut Statistischem Bundesamt die Zahl der Todesopfer das zweite Jahr in Folge gestiegen. Der Deutsche Verkehrsgerichtstag vermutet jährlich 1,3 Milliarden Handyverstöße am Steuer. Von diesen wird weniger als jeder dreitausendste geahndet. "Die Fahrer halten die Handynutzung nicht einmal für ein Bagatelldelikt", sagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer. "Sie halten es für ein Naturrecht."

© SZ vom 24.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: