Steuerstreit in der Union:Ministerpräsidenten sind frei

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Zehn Ministerpräsidenten der CDU müssen sich immer wieder von einem aus der CSU vorführen lassen. Jetzt dreht Peter Harry Carstensen den Spieß um. Im Steuerstreit vertritt er legitime Interessen.

Nico Fried

Horst Seehofer ist bayerischer Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender, womit schon etwas darüber gesagt ist, weshalb sich seine CDU-Kollegen von ihm nicht gern belehren lassen: Die CSU ist in der Union der institutionalisierte Separatismus und Seehofer der einzige Ministerpräsident, der in der schwarz-gelben Koalition im Bund mit einer eigenen Partei sitzt.

Das Aufbegehren von Peter Harry Carstensen aus Schleswig-Holstein gegen die Steuerpolitik der Bundesregierung hat einen sympathischen Zug. (Foto: Foto: dpa)

Der Bayer hatte schon während der Koalitionsverhandlungen die Blockademacht, als CSU-Chef Beschlüsse zu verhindern, die ihm als Ministerpräsident Ärger bereiten könnten. Umgekehrt konnte er Steuervergünstigungen durchsetzen, die politisch ihm nützen, aber von allen bezahlt werden müssen. Kein Wunder, dass er nun besonders laut fordert, dass alles so kommt, wie er es sich zurechtverhandelt hat.

Angesichts dessen hat das Aufbegehren des Christdemokraten Peter Harry Carstensen aus Schleswig-Holstein gegen die Steuerpolitik der Bundesregierung durchaus einen sympathischen Zug. Es offenbart die strukturell unausgeglichene Machtverteilung unter den Ministerpräsidenten der Union, die letztlich darin deutlich wird, dass sich zehn von der CDU immer mal wieder von einem aus der CSU vorführen lassen müssen. Jetzt kommt mal einer aus der CDU und dreht den Spieß um. Carstensen holt in den Verhandlungen über die Steuersenkungen nur nach, was Kollege Seehofer in den Koalitionsverhandlungen erledigt hat: Er vertritt seine Interessen.

Der Ort, an dem die Ministerpräsidenten ihre demokratisch legitimierte Macht ausspielen können, ist der Bundesrat. Dabei kommt Carstensen eine Besonderheit in der aktuellen Stimmenverteilung zugute, die er sich quasi selbst verdankt: Nur weil Carstensen seine Landtagswahlen vorgezogen und dann auch gewonnen hat, verfügt Schwarz-Gelb derzeit über eine Mehrheit in der Länderkammer. Wenn die Bundesregierung mit Schleswig-Holstein über Gegenleistungen für die Zustimmung im Bundesrat verhandeln muss, beklagt sie ein Problem, das in Wirklichkeit ein Luxus ist: Ohne Schwarz-Gelb in Kiel hätte Merkels Regierung irgendwo den Willen einer anderen Landesregierung beugen müssen, in der eine Partei mitregiert, die im Bund in der Opposition sitzt. Das hat es immer wieder gegeben und wäre mit Sicherheit noch teurer geworden.

"Ein Koalitionsvertrag ist rechtlich nicht einklagbar

Ob ein Ministerpräsident, wenn er die Interessen seines Landes wahrt, dem Votum seiner Bundespartei folgt, ist unerheblich. Ein imperatives Mandat gibt es nicht einmal für die Bundestagsabgeordneten einer Koalition und schon gar nicht kann eine Bundespartei einem gewählten Ministerpräsidenten vorschreiben, was er zu tun und zu lassen hat. Auch ein Koalitionsvertrag ist rechtlich nicht einklagbar, er hat lediglich eine politische Bindewirkung.

Im Übrigen übersehen jene, die gerade mit Blick auf den Koalitionsvertrag im Bund das Ja Schleswig-Holsteins zu Steuersenkungen einfordern, dass im selben Papier jedes Regierungsvorhaben unter Finanzierungsvorbehalt gestellt wurde. Darauf kann sich jetzt auch Peter Harry Carstensen berufen, wenn er gegen Steuersenkungen opponiert, die Angela Merkel sich von FDP und CSU in einem Ausmaß abverhandeln ließ, von dem im Wahlkampf keine Rede war.

Aber hätte Carstensen nicht wenigstens früher sagen können, dass ihm das Geld fehlt? Schleswig-Holstein hat bereits in den Verhandlungen über die Schuldenbremse Zuschüsse versprochen bekommen. In seiner Regierungserklärung Ende Oktober hat Carstensen außerdem Kürzungen im sozialen Bereich angekündigt, einen Stellenabbau im öffentlichen Dienst und ein Ende der Neuverschuldung. Deutlicher als er hat noch selten ein Regierungschef eingestanden, dass er pleite ist. Es hat nur außerhalb von Schleswig-Holstein kaum jemand wahrgenommen. Jetzt präsentiert Carstensen eine Rechnung, die niemanden überraschen muss.

© SZ vom 01.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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