Steuern:Wer hat, dem wird gegeben

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Mit dem Einkommen steigt die Steuerlast, klar. Doch wenn man Sozialabgaben und Zusatzleistungen mitzählt, offenbart sich Eigentümliches. Denn manchmal kostet mehr Gehalt sogar bares Geld.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Das deutsche Steuer- und Abgabensystem benachteiligt Geringverdiener, mehr zu arbeiten lohnt sich für untere Einkommensgruppen nicht immer. Das ist das Ergebnis einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung. Demnach kann das Zusammenwirken von Steuern, Abgaben und bestimmten staatlichen Leistungen wie Hartz IV oder Wohngeld sogar dazu führen, dass Beziehern geringer Einkommen trotz Mehrarbeit und Lohnzuwächsen am Ende des Monats weniger Geld übrig bleibt als zuvor. Spitzenverdiener könnten hingegen von einem zusätzlich verdienten Euro deutlich mehr behalten. "Leistung lohnt sich nicht immer", stellen die ZEW-Forscher deshalb fest.

In manchen Fällen verliert ein Haushalt sogar Geld, wenn das Einkommen steigt

Für die Studie untersuchten die Autoren für einzelne Musterhaushalte die Höhe der sogenannten effektiven Grenzbelastung. Dieser Wert gibt an, welcher Anteil eines zusätzlich verdienten Euros aufgrund der Sozialabgaben, Einkommensteuer oder durch den Entzug von Sozialleistungen wie Wohngeld oder dem Kinderzuschlag für Geringverdiener wieder abzugeben ist. Beispiel: Bei einer Grenzbelastung von 60 Prozent würden von einem Euro 40 Cent übrig bleiben.

Die ZEW-Forscher rechnen nun vor: Bei einem Single-Haushalt mit einem Einkommen von jährlich 17 000 Euro brutto bringt ein hinzuverdienter Euro keinen Cent mehr. Die Grenzbelastung liegt somit bei 100 Prozent. Bei einem jährlichen Bruttoeinkommen von 75 000 Euro bleiben dem Alleinstehenden hingegen 56 Cent in der Haushaltskasse. Ähnlich sieht es bei Ehepaaren mit zwei Kindern und einem Alleinverdiener aus: Mit einem Verdienst von 40 000 Euro brutto im Jahr bringt ein zusätzlich verdienter Euro unterm Strich 56 Cent. Ein vergleichbarer Haushaltstyp mit 90 000 Euro im Jahr hätte jedoch 66 Cent mehr. "In einigen Fällen finden wir Grenzbelastungen von mehr als 120 Prozent, der hinzuverdiente Euro sorgt damit für 20 Cent netto weniger in der Haushaltskasse", sagt Manuela Barisic, Wirtschaftsexpertin der Bertelsmann-Stiftung.

Die Autoren des ZEW sprechen sich daher für Reformen aus: Der Gesetzgeber müsse neue Anreize schaffen, damit es sich für untere Einkommensgruppen lohnt, trotz dann sinkender staatlicher Sozialleistungen mehr zu arbeiten. "Mehr Arbeit und Lohn müssen sich für die Krankenschwester genauso auszahlen wie für den Unternehmensberater", sagte Aart De Geus, Vorstandschef der Stiftung.

© SZ vom 18.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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