Steuern:Die Welt als Palmenhain

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Immer wieder verspricht die Politik, etwa nach den Enthüllungen der Panama-Papers, Schlupflöcher für Steuerflucht und -vermeidung zu schließen. Aber im Kampf um gesicherte Einkünfte und Wohlstand denkt jeder Staat zuerst an sich selbst.

Von Nicolas Richter

In der Literatur über Steueroasen sind Palmen ein beliebtes Symbol: Bei ihrem Anblick denkt man an Jungfern-, Cayman- oder andere Inseln, in denen es mehr Briefkästen gibt als Bewohner. Auch in anderer Hinsicht veranschaulichen Palmen Geschäfte mit kriminellem oder nicht ordentlich versteuertem Geld. An karibischen Stränden wiegen sie sanft in der Brise, ihre Kraft aber saugen sie aus dem Erdreich; niemand sieht, woher das Wasser kommt und wie schmutzig es ist.

Die Veröffentlichung der Panama Papers in der SZ vor einem Jahr ähnelte insoweit einer Ausgrabung. Sie legte Teile des panamaischen Wurzelwerks frei, speziell den Teil namens Mossack Fonseca: So hieß die Spezialkanzlei für juristische Tarnkonstrukte, und deren Geheimnisse waren fortan keine mehr. Lange Zeit hatte das Gewächs prächtige Blätter getragen, allerdings legten die Grabungsarbeiten offen, dass sich die Palme auch aus dem Schmutzwasser illegaler Waffengeschäfte, Korruption und Steuertricks gespeist hatte.

Seit einem Jahrzehnt pflügen sich Whistleblower nun schon durch die Erde Caymans, Luxemburgs, der Schweiz, Liechtensteins, und dank ihrer Enthüllungen über die Hinterziehungsindustrie hat sich bereits viel geändert. Die Schweiz etwa, die einst nie über ihr Bankgeheimnis auch nur verhandelte, tauscht jetzt Bankdaten aus. Die Panama Papers wiederum haben Tausende Ermittlungen ausgelöst und den Steuerbehörden Millionen eingebracht.

Im Kampf um Einkünfte denkt jeder Staat zuerst an sich

Allerdings ist das Großthema Steuerflucht damit keineswegs abgeschlossen. Nach jeder neuen Enthüllung tun westliche Politiker zwar so, als bildeten sie diesmal wirklich die geschlossene Front aller ehrwürdigen Regierungen gegen alle schädlichen Steuerpraktiken. In Wahrheit aber kämpft jeder Staat im Wettbewerb um Einkünfte, Arbeitsplätze und Wohlstand am meisten für sich selbst. Der eine also lockt mit laxen Gesetzen jene, die etwas zu verstecken haben, der andere wirbt mit grotesk niedrigen Steuersätzen bekannte Großkonzerne, wie es Irland etwa mit Apple tut. Denn schließlich möchte jeder Staat, dass seine Palme am grünsten ist und die prallsten Nüsse abwirft; die Welt ist ein Palmenhain, in dem jeder seine Wurzeln so lang macht wie möglich.

Während Fahnder aus aller Welt heute zwar besser kooperieren, um Kriminelle zu stellen, sehen Regierungen einander noch immer als Rivalen im Ringen um die dicksten Erträge. Ein Beispiel dafür ist Präsident Donald Trump, der die USA gerade in eine Steuergroßoase verwandelt. Mit Kampfpreisen, wie man sie aus Discounter-Schlachten kennt, will er Steuergeld in Amerika halten oder es zurückholen. Im Westen hielt man dieses Konzept, wonach Regierungen einander die Preise verderben (und sich gegenseitig in den Ruin treiben), eigentlich für überholt. Aber es kehrt jetzt mit Macht zurück. Die britische Regierung könnte ebenfalls ihre Steuern senken und damit Firmen halten, die sie wegen des Brexit sonst wohl verlieren würde.

In Berlin beriet der Bundestag am Donnerstag zwar über neue Regeln gegen schädliches Steuergebaren, aber auch die klingen stärker, als sie sind: Schlupflöcher und Sonderregeln gibt es genug. Die Bundesregierung hat derweil - wohl auf Wunsch von Unternehmern - das geplante Transparenzregister so verdunkelt, dass nicht jedermann die wirtschaftlich Berechtigten von Firmen nachschlagen kann. So wird aus Transparenz Halbtransparenz.

Steuerflucht in all ihren legalen und illegalen Formen also hat sich auch nach den Panama Papers längst nicht erledigt. Trump, der im globalen Palmenhain eines der größten Exemplare pflegt, prahlte einmal damit, dass Hunderte seiner eigenen Firmen im Steuerparadies Delaware registriert seien - nicht in der Südsee, sondern direkt an der amerikanischen Ostküste.

© SZ vom 28.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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