Staatsanwaltschaft Hannover:Ermittlungsexzess in Sachen Wulff

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Übertriebener Ermittlungseifer: DIe Staatsanwaltschaft Hannover versucht auch noch den kleinsten Restvorwurf im Fall Fall aufzublasen. (Foto: dpa)

"Sine ira et studio" sollen Staatsanwälte ermitteln, wie die Juristen sagen, ohne Zorn und Eifer. Im Fall Wulff haben die Strafverfolgungsbehörden genau das nicht getan.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Die deutsche Staatsanwaltschaft behauptet gern von sich, sie sei die objektivste Behörde der Welt: weil sie für und gegen den Beschuldigten ermittle; weil sie, anders als etwa die US-Verfolgungsbehörde, nicht nur nach Belastendem, sondern auch nach Entlastendem suche. Der deutsche Staatsanwalt ist, so steht es in den einschlägigen Richtlinien, nicht einfach Verfolger, sondern ein "Organ der Rechtspflege".

Wer die Ermittlungsakten gegen den Ex-Bundespräsidenten Christian Wulff kennt, muss daran zweifeln.

Aus notwendigen und richtigen Ermittlungen wurde in Hannover ein Ermittlungsexzess. Die Akkuratesse und Penibilität der Ermittlungen, die angesichts des Ranges des Beschuldigten und angesichts des Gewichts der Vorwürfe notwendig war, schlug um in eine unverständliche, peinliche, ja irrationale Verfolgungssucht. Noch den abwegigsten anonymen Denunziationen wurde aufwendigst nachgegangen; Zeugen, die Wulff nicht belastet haben, wurden als unglaubwürdig eingestuft.

Sine ira et studio sollen Staatsanwälte ermitteln. In der Causa Wulff haben sie das nicht ohne, sondern mit Zorn und Eifer getan. Gleichwohl blieb von den Vorwürfen fast nichts strafrechtlich Relevantes übrig (von Anstand und Moral soll an dieser Stelle nicht die Rede sein; dafür ist die Staatsanwaltschaft nicht zuständig).

Aber der Zorn und der Eifer setzt sich weiter fort: Am Schluss versucht nun die Staatsanwaltschaft, den kleinen Restvorwurf aufzublasen, um nicht, wie es geboten wäre, das Verfahren ohne Wenn und Aber einstellen zu müssen, sondern um die Einstellung mit einer Geldauflage verbinden zu können. Die Staatsanwaltschaft will sich das als kleinen Sieg an die Robe heften. Ein Ausdruck von Ermittler-Souveränität ist das nicht.

Staatsanwaltschaft wurde vom LKA mitgeschleift

Die Ermittlungen sind auch deshalb außer Rand und Band geraten, weil die Staatsanwaltschaft nicht, wie es sich gehörte, die Herrin des Verfahrens war. Herrin des Verfahrens war das Landeskriminalamt, und die Staatsanwaltschaft bekam dessen Ermittlungen nicht in den Griff. Die Staatsanwaltschaft wurde vom LKA mitgeschleift; sie versuchte aber und versucht immer noch (so mit dem Beharren auf der Einstellung nur mit Geldauflage), sich nicht nur als rechtlicher, sondern auch als faktischer Ermittlungsführer darzustellen.

Die Polizeibeamten sind Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft: So steht es im Gesetz; früher hießen die Ermittlungspersonen "Hilfsbeamte". Das gilt auch für die Polizeibeamten des LKA, auch sie sind de jure nur Ermittlungshelfer; de facto waren sie in der Sache Wulff die wahren Ermittler. Das ist heute bei vielen Verfahren so. Hier war es besonders krass. Die Staatsanwaltschaft ist, der Dominanz ihrer Mittel wegen und weil die Politik das so will, zu einer Art Justitiariat der Polizei degradiert worden. Das ist eine Verirrung: Es gilt immer noch, was in der Gründungsurkunde aus dem 19. Jahrhundert steht: Der Staatsanwalt soll "als Wächter des Gesetzes von Anfang an dahin wirken, dass überall dem Gesetz ein Genüge geschehe". Das ist im Fall Wulff nicht geschehen.

© SZ vom 06.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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