Sport:Revolution im Oval

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Im Cricket werden Frauen nicht mehr als Männer bezeichnet.

Von Jan Bielicki

Cricket kennt keine Regeln. Daran lässt sich erkennen, wie zentral dieser für Außenstehende kaum zu erfassende Sport für die Konstitution Englands, Indiens, Australiens und weiterer anglophoner Länder ist: Cricket nämlich hat Gesetze, genauer: die Laws of Cricket, im Englischen übrigens immer groß geschrieben, wie der Herrgott oder die Queen (die eigene natürlich, nicht irgendeine Königin minderer Völker). Es ist also ein Ereignis, wenn der ehrwürdige Marylebone Cricket Club (MCC) eine Neufassung dieser geradezu heiligen Gesetze verkündet.

Der MCC ist Herr über das Londoner Stadion Lord's, für Anhänger des edlen, wenn auch oft undurchschaubaren Spiels etwa das, was der Vatikan für gläubige Katholiken bedeutet. Und er ist seit 1788 Hüter der Cricket-Gesetze. Nun hat der Club deren Sprache heutigen Zeiten angepasst. Denn die sind nicht mehr nur geprägt von noblen und edlen Männern, die an der Wiege dieses Sports standen. Sondern, ja, tatsächlich auch von Frauen. Das ist offenbar auch den 22 Herren und drei Damen des MCC-Leitungskomitees nicht verborgen geblieben. Jetzt haben sie beschlossen: Die Gesetze des Cricket werden gegendert.

Das trifft genau ein Wort, aber eben eines, das bisher die zentrale Figur auf dem ovalen Feld bezeichnete: den batsman. Mit Schläger, Helm und überdimensionierten Schienbeinschonern vor den Stöckchen des Wicket stehend, ist der Schlagmann der Spieler (oder auch die Spielerin), der oder die den Ball ins Feld und darüber hinaus drischt und so die Punkte macht, die über Sieg oder Niederlage entscheiden. Den nachhaltigsten Ruhm auf dem Feld der Cricket-Ehre räumten darum stets vor allem Schlagmänner ab wie der legendäre Australier Donald "The Don" Bradman. Darum war es auch nicht als Missachtung der Weiblichkeit gemeint, wenn sogar der sonst so politisch korrekte Guardian eine Spielerin wie die Britin Claire Taylor als "vielleicht feinsten Schlagmann" pries, den das Frauen-Cricket je gesehen habe.

Dabei spielen Frauen im Cricket eigentlich nicht erst seit gestern mit. Gut, der MCC brauchte bis 1998, um seine Reihen auch für weibliche Mitglieder zu öffnen. Doch das erste überlieferte Frauen-Match fand bereits am 26. Juli 1745 statt, zwischen "elf Maiden aus Bramley und elf Maiden aus Hambledon, alle weiß gekleidet", wie die örtliche Zeitung The Reading Mercury damals berichtete und erstaunt feststellte: "Die Mädchen warfen, schlugen, rannten und fingen genauso gut wie die meisten Männer."

Doch erst 276 Jahre später wird am nächsten Freitag Englands ehemalige Teamkapitänin Clare Connor als erste weibliche Präsidentin in 234 Jahren Clubgeschichte den Schlagstock im MCC und damit den wichtigsten Funktionärsposten in der Cricketwelt übernehmen. Auch sie war übrigens zu aktiven Zeiten ein erstklassiger batsman. Zu ihrem Amtsantritt aber soll es keine batsmen mehr geben, alle, ob Männlein oder Weiblein, werden sie schlicht batters sein. So jedenfalls heißt es nun geschlechtsneutral im Gesetz. Einigen alten Machos in Englands rechtsgewirkter Boulevardpresse mag das suspekt sein, doch allzu sehr mir der Tradition bricht das Wort nicht. Schon 1787, im Gründungsjahr des MCC, würdigte ein Spielbericht einen gewissen Sir Peter Burrell - als "best batter".

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