Spekulationen um Finanzminister:Schäuble spielt Worst Case durch

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Ganz neue Töne eines Arbeitstieres: "Man muss mich nicht aus dem Amt davontragen", sagt Finanzminister Schäuble. Offenbar will er sein Amt aufgeben, sollte es ihm in den kommenden Wochen nicht besser gehen.

Claus Hulverscheidt

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will im Falle anhaltender gesundheitlicher Probleme offenbar von seinem Amt zurücktreten. Entsprechende Äußerungen des Ministers finden sich in einem Bericht des Magazins Stern, der am Mittwoch veröffentlicht wurde. Die Bundesregierung lehnte zunächst eine Stellungnahme ab und wies den Artikel später zurück.

Wolfgang Schäuble: Sollte sich sein gesundheitlicher Zustand nicht bessern, wird er wohl zurücktreten. (Foto: dpa)

Das muss allerdings nicht heißen, dass der Bericht falsch ist - zumal sowohl Schäuble selbst als auch dessen Bruder Thomas zitiert werden. Der Finanzminister sagte demnach, wenn er nach vier Wochen im Krankenhaus zu dem Ergebnis komme, dass es "nicht mehr geht", werde er "die Konsequenzen ziehen". Vor Vertrauten fügte er dem Bericht zufolge an: "Es ist nicht so, dass man mich aus dem Amt davontragen muss." Er wisse sehr wohl, "dass angesichts der Häufigkeit, mit der ich in diesem Jahr doch ausgefallen bin, man sich einer Grenze nähert". Laut Stern bot Schäuble Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bereits vor seinem neuerlichen Ausfall an, sein Amt zur Verfügung zu stellen.

Der 68-Jährige muss nach mehreren Klinikaufenthalten im Frühjahr erneut stationär behandelt werden, weil er seit Monaten Probleme mit einem Druckgeschwür hat. Nach Angaben seines Ministeriums führt er seine Geschäfte ohne große Einschränkungen vom Krankenbett aus. Sein Bruder Thomas Schäuble sagte dem Magazin jedoch, dem seit 20 Jahren querschnittsgelähmten Minister sei es in den vergangenen Monaten oft "sauschlecht" gegangen. "Das über halbjährige Wundsein hat ihn zermürbt", sagte er.

Die Regierung bezeichnete den Magazinbericht zunächst als "reine Spekulation" - eine Chiffre, die wenig aussagt. Sie wird gelegentlich auch dann verwendet, wenn jemand einen wahren Sachverhalt verschleiern, sich zugleich aber gegen spätere Vorwürfe wappnen will, gelogen zu haben. Ein Sprecher Schäubles äußerte sich am Mittwoch vor Journalisten zunächst entsprechend, erhielt dann jedoch einen Hinweis und sagte daraufhin, es habe "weder ein Rücktrittsangebot, noch eine Fristsetzung" gegeben. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung erklärte Schäuble - wie schon im Frühjahr - der Kanzlerin, er sei zum Rückzug bereit, wenn sie, Merkel, die Situation für nicht mehr tragbar halte. Beide kamen jedoch überein, den Heilungsprozess abzuwarten, der laut Ministerium "planmäßig voranschreitet". Merkel hatte jüngst in einem anderen Zusammenhang betont, sie sei niemand, der andere Menschen unter Druck setze.

Während seiner Abwesenheit wird Schäuble von seinen insgesamt fünf Staatssekretären vertreten. Bei wichtigen Auslandsterminen soll zudem vereinzelt Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) einspringen, so etwa beim Treffen der Finanzminister aus den 20 wichtigsten Volkswirtschaften der Welt (G20) Ende Oktober in Südkorea.

Nach Angaben aus Regierungskreisen geht Merkel derzeit noch davon aus, dass Schäuble weitermacht. Sollte sein Klinikaufenthalt aber erneut deutlich länger ausfallen als geplant, könne sich "die Debatte verselbständigen", hieß es in den Kreisen. Sollte Schäuble tatsächlich zurücktreten, gilt Innenminister Thomas de Maizière als der aussichtsreichste Nachfolgekandidat. Er hatte seinen Parteifreund bereits im Mai bei den Beratungen über den Euro-Rettungsschirm in Brüssel vertreten. Außenseiterchancen werden zudem Schäubles Staatssekretär Steffen Kampeter eingeräumt. In Frage käme auch der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch, der einen Wechsel nach Berlin aber mehrmals ausgeschlossen hat.

© SZ vom 07.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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